Notizen aus der Unterwelt.

Der kritische Blog von Klaus Baum

Georgia on my mind? No! Troy Davis on my mind! — 22. September 2011

Georgia on my mind? No! Troy Davis on my mind!

Ich habe zu Beginn der 80er zwei Jahre bei einer befreundete Familie gewohnt, weil mein Doktorandenstipendium abgelaufen, ich aber mit meiner Dissertation noch nicht fertig war. Da ich „nur“ Gast war, konnte ich auch nicht darüber bestimmen, wer in diesem freundlichen Haus noch aufgenommen wurde. Es handelte sich um einen Flüchtling aus dem Iran, der einst als Oberarzt im Kreiskrankenhaus tätig und mit einer der Töchter des Hauses befreundet war.

So lebte ich – mehr oder weniger unfreiwillig – etwa ein Jahr lang mit einem Menschen zusammen, der – wie ich meinte – vom Islam geprägt war. Ich war vertraut – durch mein Philosophiestudium – mit dem Gedanken der Versöhnung. Wenn ich mit dem Perser Krimis im Fernsehen anschaute, vertrat er die Ansicht, Rache ist auf jeden Fall gerechtfertigt, wenn man zuvor beleidigt, gekränkt, bestohlen oder wenn ein Angehöriger ermordet worden ist. Verzeihen, Versöhnen war seinem Denken fremd.

Und genau an dieses auch im Alten Testament vertretene Prinzip Auge um Auge, Zahn um Zahn, Mord um Mord musste ich denken, als ich heute kurz vor und kurz nach 19 Uhr die Kommentare auf Deutschlandfunk hörte.

Die Amis unterscheiden sich mit ihrem gnadenlosen, fanatischen Vergeltungsdenken in kein(st)er Weise von dem, was uns über den Islam hierzulande vermittelt wird. Und das bestätigt einmal mehr einen der wichtigsten Grundsätze der Psychoanalyse: Wir bekämpfen im Anderen das am energischsten, was uns gleicht, was wir selber sind.

Armer Troy Davis: Verflucht seist du, Georgia.

PS.: Auch wenn das Gegenteil eindeutig und restlos bewiesen wäre, dass einer kein Mörder ist, so läuft die Maschinerie unaufhaltsam, bis sie die Logik der Vergeltung vollendet ist, auch dann, wenn die Vergeltung den falschen trifft. Jedenfalls hat sich dergleichen in den USA schon öfters ereignet. Zu erinnern ist insonderheit an den Fall Mary Phagan, wo am Ende die Lynchgeilen doch noch das Opfer schufen, das sie unbedingt wollten.

Damals, 1915, ebenfalls in Georgia, hieß das Opfer Leo Frank. Wer sich für diesen Fall interessiert, dem sei der Film mit Jack Lemmon empfohlen. Ein Film, in dem am Ende sich die Betonköpfe doch durchsetzen, und diese Betonköpfe sind heute wieder am Werk unter dem Namen Tea-Party.

http://en.wikipedia.org/wiki/Leo_Frank

http://en.wikipedia.org/wiki/The_Murder_of_Mary_Phagan