DIE GHOSTWRITER DER HARTZ IV KOMMISSION
von
Prof. Dr. jur. Helga Spindler
15.05.2013
Speziell Hartz IV und die verbliebene Rest-Arbeitslosenversicherung und Rest- Sozialhilfe haben wir nicht in erster Linie der Hartz-Kommission oder gar dem Namensgeber Peter Hartz persönlich zu verdanken, sondern einer geheimen Staatsaktion, einer recht undemokratischen, handstreichartigen Hintergrundarbeit aus dem Bundesarbeitsministerium (BMA) und dem Bundeskanzleramt, einverständlich koordiniert und gelenkt durch die Bertelsmann Stiftung.
Wenn heute an die Übergabe des Berichts: „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ im Französischen Dom in Berlin erinnert wird, dann denken viele spontan an Hartz IV, das neue Grundsicherungssystem, in das Millionen Menschen mit Partnern und Kindern ohne Rücksicht auf Qualifikation und Berufserfahrung hineingepresst werden und das Hunderttausende in unterwertige Arbeitsplätze gezwungen hat, ohne ihnen sozialen Schutz zu bieten. In der Tat hat die Kommission einige Dämme zur Regulierung am deutschen Arbeitsmarkt eingerissen und eine Sozialbehörde zum datenfressenden Controlling- und ITMonster pervertiert“ (1) und sie hat mit Modul 6: „Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenführen“ und Modul 3 mit dem etwas zynischen Titel : Neue Zumutbarkeit und Freiwilligkeit“ die Stichworte für Hartz IV gegeben, aber eben nur die Stichworte. Auch hat sie diese mit teilweise anderen Vorstellungen über die Umsetzung verbunden, was letztlich die Öffentlichkeit besonders raffiniert getäuscht hat in Bezug darauf, was mit Hartz IV und nicht zu vergessen auch mit der deutlichen Verschlechterung der Arbeitslosenversicherung in Hartz III auf sie zukommen sollte.
Schon immer war auffällig, dass diejenigen, die die damaligen Vorgänge erforschen, weniger auf die Analyse von öffentlich zugänglichen Dokumenten zurückgreifen konnten, sondern auf die Auswertung von Insider- Informationen, meist anonymisierte Interviews mit Akteuren der damaligen Zeit, angewiesen waren. Diese Untersuchungen sind inzwischen ergänzt durch die Arbeit von Anke Hassel und Christof Schiller, (2) die wiederum Insider interviewt haben, die mit zunehmendem zeitlichen Abstand auch immer unbefangener geplaudert haben. Sie absolvierte 2003/2004 einen Forschungsaufenthalt in der Leitungs- und Planungsabteilung des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit von Minister Clement, wo sie eigentlich an einer Analyse der Grenzen deutscher Reformkapazität arbeiten wollte. Ihre Beobachtungen zur Entstehung von Hartz IV haben sie jedoch von der „Reformfähigkeit“ des deutschen Sozialstaatsund insbesondere der Ministerialbürokratie überzeugt. Sie betrachtet die Vorgänge allerdings weniger kritisch aus demokratischer, rechtsstaatlicher oder gar sozialer Sicht, sondern mit einer gewissen Faszination für das strategische Arbeiten der Bürokratie, wo sie einen neuen Typ politischer Unternehmer erkennt, also aus einer Elitenperspektive.
Jetzt ist sie Professorin für Public Policy an der privaten Hertie School of Governance in Berlin und dort Kollegin von Jobst Fiedler, der 2004 zum Professor für Public and Financial Management ernannt wurde und als Mitglied der Hartz- Kommission noch in Diensten der Unternehmensberatung Roland Berger stand.
Aus ihren Informationen ergibt sich kurz gesagt: Speziell Hartz IV und die verbliebene Rest-Arbeitslosenversicherung und Rest- Sozialhilfe haben wir nicht in erster Linie der Hartz Kommission oder gar dem Namensgeber Peter Hartz persönlich zu verdanken, sondern , einer geheimen Staatsaktion, einer recht undemokratischen, handstreichartigen Hintergrundarbeit aus dem Bundesarbeitsministerium (BMA) und dem Bundeskanzleramt, einverständlich koordiniert und gelenkt durch die Bertelsmann Stiftung.
Hassel schreibt in dem Kapitel „Stunde der Reformer“, dass es Anfang 2002 bereits „einen Kern verantwortlicher Politiker und Beamter“ gegeben habe, „die die Probleme am Arbeitsmarkt in ähnlicher Weise interpretierten und den Vermittlungsskandal nutzen wollten, um ihre Reformvorschläge durchzusetzen“. „Tragende Akteure“ dieses Prozesses seien im Bundeskanzleramt Frank Walter Steinmeier und im BMA Staatssekretär Gerd Andres gewesen. Walter Riester erinnert sich nach dem Vermittlungsskandal an ein Gespräch mit Steinmeier: „Walter , wir müssen das eigentlich mit einem massiven eigenen Schlag lösen. Wir stehen jetzt vor der Bundestagswahl .Und seine [ Steinmeiers ] erste Vorstellung war, McKinsey einzusetzen.“ Vermutlich dachte Steinmeier schon damals an den befreundeten McKinsey Berater Markus Klimmer, verantwortlich für den Bereich „Public Sector“ und Promoter für
technologiedominierte Verwaltung und Privatisierung, den er 2008 für sein Wahlkampfteam engagierte und der bis heute IZA Policy Fellow, Mitglied im Managerkreis der Ebert Stiftung und in der SPD und ihrem Wirtschaftsrat ist und neuerdings im gleichen Feld für sas Beratungsunternehmen Accenture arbeitet.
Steinmeier teilte diese Vorliebe für die „Meckis“ mit Peter Hartz, der aber wegen gemeinsamer Projekte bei VW den McKinsey- Direktor Peter Kraljic für seine Kommission vorzog. Später stießen Florian Gerster (heute ebenfalls Mitglied im Managerkreis der Ebert Stiftung und in der SPD, IZA Policy Fellow, Präsident Arbeitgeberverband Briefdienste, Botschafter INSM und Unternehmensberater ; damals kurzzeitig Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit) und Wolfgang Clement (heute konsequent bei der FDP) zu dieser Gruppe.
Gerd Andres nutzte die Stunde unter dem noch unerfahren Minister Riester, der sich zudem mehr für die Alterssicherung interessierte, um die zuständige Abteilung mit jungen und einschlägig ausgewählten Mitarbeitern wie Abteilungsleiter Bernd Buchheit aus NRW und weiteren Referatsleitern neu zu besetzen. Buchheit sorgte dafür, dass die Zuständigkeit für Sozialhilfe vom Gesundheitsministerium schnell ins BMA verlegt wurde. Das alles ist für sich genommen noch nicht anstößig. Nur wurde die weitere Arbeit nach außen und von demokratischer Auseinandersetzung und Kontrolle abgeschottet. Den Aufsatz im PDF Format weiterlesen …(Helga Spindler)
Quelle:
Genau das habe ich vor ein paar Tagen weiter unten verlinkt 😉
was solls-so etwas muss einfach weiter verbreitet werden,weil es brisant ist.
Ich habe schon einige Sachen von der Autorin gelesen.Allesamt richtig interessant und wissenswert.
http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-bezieher-laesst-jobcenter-pfaenden-9001059.php
so was gibts auch, es ist zwar nur ein Lichblick, aber immerhin……
„Speziell Hartz IV und die verbliebene Rest- Arbeitslosenversicherung und Rest- Sozialhilfe haben wir nicht in erster Linie der Hartz Kommission oder gar dem Namensgeber Peter Hartz persönlich zu verdanken, sondern , einer geheimen Staatsaktion, einer recht undemokratischen, handstreichartigen Hintergrundarbeit aus dem Bundesarbeitsministerium (BMA) und dem Bundeskanzleramt, einverständlich koordiniert und gelenkt durch die Bertelsmann Stiftung.“
Hätte der Aufsatz nicht diese zweifelsfreie Authentizität mit all den Details und Protagonisten, hätte ich ihn für eine Verschwörungstheorie gehalten. Eine Offenbarung, die in die Leitmedien gehört.
Und wenn ich feststelle, wie hinter den Kulissen von bestimmten Interessen geleiteten Machern agiert wird, habe ich auch keine Zweifel mehr, dass die Rente mit 70 bereits „im Rohr“ ist. Mal sehen, wenn nach den Wahlen die Pandora-Büchse der Grausamkeiten geöffnet wird.
es ist nur noch unglaublich, wie von den Regierungsbanden, bzw. Bertelsmann, Springer und Co. die Öffentlichkeit getäuscht und betrogen wurde und wird (mit Sicherheit auch weiterhin)
Ich bin nur noch entsetzt und wütent.
@KB, AA, Hartmut zvn und alle:
´Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe war … von Anfang an die Chiffre für die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, erheblichen Leistungsabbau in der Arbeitslosenversicherung und ein neues System einer rechtloseren Sozialhilfe, die nicht mehr dem Ziel der Schaffung menschenwürdiger Lebens- und Arbeitsverhältnisse verpflichtet ist´“
Die dies nüchtern-aufklärend zusammenfasste, Dr. Helga Spindler, hat früher schon auf ihrer Netzseite der Uni DUE zur Sozialhilfe historisch (2007) und zur Entrechtung bei Hartz Vier (2009) veröffentlicht.
Das Kernproblem: diese und andere wichtige Hinweise verpuffen. Auch in Blogs wie diesem. Denn es geht um praktische, auch organisatorische, Fragen. Und nicht um (kritisches) Wissen. Sondern um wirkliches Handeln, um als lebendige Menschen berechtigte Lebensinteressen gegen real-existierende „Verbrecher“ (Spindler) da Oben durchzusetzen. Das und nichts anderes ist es, was dringlich ansteht.
Gruß, Mike.
danke Mike für deinen klaren, fragenden und aufbauenden Kommentar.
Doch ich denke, es ist eine
ganz klare Frage, wie können wir diese ehemaligen Verbrecher belangen und den jetzigen das Handwerk legen ? selbst wenn es hierauf eine Antwort gibt, bleibt das System so wie es ist…sch……
und ich kann euch nur eins sagen: die helga spindler ist eine erstklassige quelle. das ist keine verquere vt sondern herausragende arbeit. die helga spindler war schon, als ich noch sozialarbeit an der fh köln studierte (<10 jahre) referenz!
Naja….
Selbstverständlich ist das heutige, mitten ins Schwarze. Ansonsten, sollte man bezüglich leichter Idollastigkeit doch etwas vorsichtiger die Feinheiten im Text, sprich Jahreszahlen, Umfelder und auch Namen wie Roland Berger betrachten. Dann ergibt sich ein eher amüsiertes Bild der Helden. Ich denke, Klaus wird mich verstehen. Der hat zumindest mal zum Gleichen bereits schon gebloggt, da hat die Böckler-Stiftung noch selber Studien von Bertelsman verwendet. Und hätte sich sicher ebenfalls gefreut, wenn das Ding da oben, ein paar nicht unerhebliche Jahre früher erschienen wäre. Aber was soll’s. Dass dabei aber immer noch „VT“ fällt, finde ich schwer bedenklich. Und es zeigt, dass man immer noch nicht begriffen hat, was tatsächlich passiert ist. Die ganz normale Markt-Positionierung von Großunternehmen und Arbeitgebern, in einem Land, welches sie politisch selber zum Markt mit Mediendemokratie beraten haben, denen man die größt-mögliche Türe dafür geöffnet hat. VT, – ist das Geschäftsmodell vom Kopp-Verlag. Bertelsmann steht eher auf Soziologie, Polit- und Unternehmensberatung.
ich weiß mal wieder nicht, was VT bedeutet
🙂 🙂
Liz Mohn sitzt mit Angie Merkel und Friede Springer Zigarrenrauchend im Hinterzimmer einer finsteren Kaschemme, – und schmieden im Geheimen gar noch finsterere Pläne. Das ist VT.
Liz Mohn sitzt mit Angie Merkel und Friede Springer Teetrinkend plaudernd übers Geschäftsmodell Deutschland beisammen, und die ganze Welt weiß das, und findet das vollkommen in Ordnung. Das ist keine VT.
VersTehe
http://www.zeit.de/2013/21/arbeitsmarkt-lohn-aufstocker
schönes Beispiel übelster Hetze und Meinungsmache mit Unterschlagung von wichtigen Fakten und Infos,aber teilweise schönen Kommentaren.
Immer sehr interessant bei solchen Sachen:keine Angabe eines Autors.
Die Artikel schreiben sich bei denen immer ganz von selbst.
Wohin das Ganze auch führt:
http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-herzstillstand-nach-arbeitszwang-9001440.php
Dass unser Gesundheits“system“ immer schlechter wird, ist offensichtlich.
Aber solche „Ärztlichen Dienste“ sind V…. !
(Mir haben sie damals trotz Starerkrankung „uneingeschränkte Sehfähigkeit“ attestiert, was ich erst nach verlangter Akteneinsicht erfuhr).
Bösartig ist das. Aber folgerichtig: die „Kleinen“ stehen unter Generalverdacht des Bescheißen-Wollens; zudem wird ihr Frühableben billigend in Kauf genommen.
„Leistungsträger“ hingegen – na, sind wir nicht alle ein bisschen wie Hoeneß?
Dem großen Haufen muss man doch einfach gönnen, dass er noch größer wird.
*Sarkasmus aus*
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