Ein Gastbeitrag von altautonomer
Eine Allianz zwischen Industriebossen und lokalen Flüchtlingshilfen, sowie analog zwischen Til Schweiger und Siegmar Gabriel, Deutschlands fleißigstem Waffenexporteur
„Unser Land soll es sich leisten, mehr Flüchtline aufzunehmen.“ Ulrich Grillo, BDI-Präsident 12.08.2015
„Ich mache keinen Unterschied, ob jemand Wirtschaftsflüchting ist oder „richtiger“ Asylsuchender, der verfolgt wurde.“ Stephan Schwarz, Unternehmer und Präsident der Berliner Handwerkskammer 09.08.2015
Würde Europa seine Todesgrenzen morgen öffnen, käme vielleicht eine Million. Zu wenige, meint Professor Plünnecke vom Institut der Deutschen Wirtschaft, der für eine großzügige „Erwerbsemigration“ plädiert, weil in Deutschland bald zehn Millionen Menschen fehlen und Migranten in Deutschland pro Jahr 180.000 Firmen gründen. „Mit ihrer höheren Neigung, sich selbstständig zu machen und Arbeitsplätze zu schaffen, stellen Migranten eine tragende Säule des Gründergeschehens dar“, erklärt die Kreditanstalt für Wiederaufbau. (Rainer Trampert „Menschen ohne Marktwert“))
Mündete der von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder initiierte Aufruf zum Anstand der Anständigen seinerzeit in Lichterkettenorgien und anschließend zur Abschaffung des Asylrechts, so werden im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften tausende von Helfern plötzlich getrieben von einer ethisch und moralisch motivierten Sorge und Hilfsbereitschaft.
Zum einen wird damit ein Gegengewicht zu dem pöbelnden rechten Mob bebildet, andererseits ersetzen derartige Initiativen die unterlassene Verpflichtung staatlicher Instanzen zur sofortigen Hilfeleistung und Austattung mit lebensnotwendigen Utensilien. Derartige Hilfsmaßnahmen haben der Vorteil, sofort und unmittelbar wirksam zu werden. Unabhängig vom Aufenthaltsstatus und den Fluchtgründen der Migranten. Das ist erst einmal lobenswert und findet auch entsprechende Anerkennung in den Medien, von der Politik und in der Öffentlichkeit.
Unter den Helfenden ist allerdings nur eine Minderheit zu finden, die ihre Hilfsbereitschaft in einen größeren Kontext stellt, nämlich in den der Fluchtursachen. Fluchtgründe und -ursachen sind nämlich nicht nur Kriege und Waffenexporte der Industrieländer. Bereits 32 afrikanische Staaten haben Freihandelsabkommen mit der EU abgeschlossen, die deutlich zum Vorteil transnationaler Konzerne sind. Die Ausbeutung von Rohstoffen bilden darin ebenso eine Kontinuität wie neokoloniale Strukturen: Überfischung oder Landgrabbing und eine Landwirtschaft, die auf Export ausgerichtet ist statt auf Ernährungssouveränität, bleiben Realität.
In Richtung der exportierten Waffen bewegen sich zudem deutsche Touristen. Jahr für Jahr zieht es Millionen Europäer_innen an die »Traumstrände Marokkos« (Thomas Cook), in die »faszinierenden Wüstenlandschaften« Tunesiens (dein-reiseportal.de), nach Ägypten, das »Urlaubsparadies am Roten Meer« (dertour.de), und in die Türkei. Sie nutzen oft dieselben Routen (in umgekehrter Richtung), auf denen die Migrant_innen unterwegs sind. Nur zahlen sie nicht mehrere Tausend Euro für lebensgefährliche Plätze auf überfüllten Schlauchbooten, sondern können für wenig Geld eine Fähre oder ein Flugzeug besteigen. Im Sommer, wenn sich die Wege der Flüchtenden und der Urlauber_innen kreuzen, zeigt sich das brutale Machtverhältnis am Mittelmeer in aller Deutlichkeit. (Quelle ak)
Wie würden die Flüchtlingshelfer reagieren, wenn die Fluchturachen mittelfristig beseitigt werden, wenn Schluss ist mit Textilimporten aus Indien und Bangladesh, Schluss mit Billligurlauben in Antalye, wo das türkische Zimmermädchen einen Monatslohn bekommt, der dem Tageslohn eines deutschen Maurers entsprícht, Schluss mit Jeans für 50 Euro, Kaffe für 4,99 Euro das Pfund,
Schluss mit Kartoffeln aus Ägypten, Bananen aus Brasilien und Kakao aus Ecuador. Bei einem fairen Welthandel würden vielen Helfern viele Privilegien genommen. Die Beendigung von Kriegen und die Einstellung von Waffenexporten würden der deutschen Industrie schaden. Es fehlt -mal abgesehen von den Gegendemos zu den Pegida-Aufmärschen- der Übergang von der Sozialarbeit zum politischen Handeln, von der Hilfe zum Widerstand.
Der Exportweltmeister Deutschland sieht in Gestalt seiner oben zitierten Repräsentanten die Gefahr, dass zum einen die Exportchancen mit dem Image des weltoffenen Gemeinwesen sinken, wenn das außereuropäische Ausland (Abnehmerländer) registriert, wie diese Wohlstandinsel Germany mit armen Menschen umgeht. Andererseits wird sich ein Industriestaat die Chance nicht entgehen lassen, im unerschöpflichen Pool billiger Arbeitskräfte nach geeigneten und willigen Sklaven im eigenen Land zu fischen.
Es muss daher stutzig machen, wenn der Klassenfeind mit dem helfenden Proletariat in diesem Punkt (Refuges wellcome!) übereinstimmt.
Konstruktiver Vorschlag von Rainer Trampert:
„Europa heißt die Flüchtenden willkommen und gibt ihnen das, was Ostflüchtlinge einst bekamen, als „wir noch nichts hatten“: ein Antrittsgeld, Entschädigung für Immobilien, einen Hausrat, eine Ausbildung, eine Wohnung oder ein zinsgünstiges Darlehen für den Hausbau. Damit hätte man auch etwas für die Hilfe vor Ort getan, denn die Überweisungen der Migranten sind die wichtigste Lebenshilfe am Ort ihrer Herkunft. Ein Migrant ernährt zu Hause vier Menschen.“
Auch Andrea Nahles ist begeistert von der Hilfe und voll des Lobes:
„Zum Glück steht der unerträglichen Hetze eine große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung gegenüber, auf die wir stolz sein können. Viele Menschen krempeln die Ärmel hoch, während wir in Politik und Verwaltung noch nach Mitteln und Wegen suchen.
Diese ehrenamtlichen Helfer fragen nicht nach Kosten und Vorschriften, sie machen einfach. Sie engagieren sich für Flüchtlingsfamilien, sie kommen, spenden und helfen, opfern Urlaub und Freizeit, manche nehmen sogar Flüchtlinge bei sich auf.
All diesen Menschen gebührt mein großer Dank und Respekt. Sie zeigen wahre Mitmenschlichkeit. Sie sind damit Vorbild für andere, und auch die Bundesregierung kann sich von dieser Haltung noch eine Scheibe abschneiden..“ (SPON)
Ja, so liebt die Tante für Arbeit und Soziales (Tarifeinheitsgesetz!) ihre fleißigen, aufopferungsbereiten Mitbürgerinnen und Mitbürger. Das würde sich aber schnell ändern, wenn diese freiwillig Eherenamtlichen zum zivilen Ungehorsam und Protest gegen sie als eine der Hauptverantwortlichen für die desolaten Verhältnisse in @de übergehen würden.
Hallo,
tut mir leid. Ich kann weder irgendeinen politischen SInn in IhremText noch in Ihren bdeiden Kommentaren erkennen.
Albert: Es ist die auffällige Zustimmung derjenigen, die das Elend mitverantworten. Ein weiteres Beispiel sind die Tafeln mit ihren 25.000 Helfern, die seit 20 Jahren bis heute regelmäßig 1,5 Mio. Menschen versorgen. Schirmherrin ist U. von der Leyen, Vorgängerin von Frau Nahles. Jahrzehntelange Verwaltung des Hungerelends und Staatsversagens durch ehrenamtliche Helfer. Dafür gibt es Lob von „oben“.
Oragnisierter Protest oder gar Widerstand gegen derartige Verhältnisse – Fehlanzeige. Das Potenzial wäre vorhanden.
@Albert
Die politische Aussage von @altautonomer liegt meiner Auffassung nach, und ich teile sie, darin, dass die westliche Welt nach wie vor und ungebremst ihr Handeln orientiert entlang dem Wohl von Großbanken, Hedgefonds, internationalen Finanzinstitutionen. So verfährt jedenfalls die richtungsweisende Politik, welche unbeeindruckt der Folgen ihren imperialen, staatsmonopolistischen Kurs verfolgt (durch zB. Ressourcenausbeutung, Überfischung, Landgrabbing) und damit die (Ernährungs-)Souveränität der betroffenen Länder untergräbt und zerstört. Alle bürgerliche Aktivität, welche sich auf die Symptome, also lediglich die durch das hegemoniale Profit- und Eigentumsbestreben hervorgerufenen Schmutzränder beschränkt, ist nicht Ursachenbekämpfung, es ist Kompensation.
Das Fazit kann ich nur zustimmend zitieren: „Das würde sich aber schnell ändern, wenn diese freiwillig Eherenamtlichen zum zivilen Ungehorsam und Protest gegen sie [Nahles] als eine der Hauptverantwortlichen für die desolaten Verhältnisse in @de übergehen würden.“
Nach den Lichterketten in den 90er Jahren ist es wieder einmal die Inszenierung der großen Volksgemeinschaft von Unterdrückten und Unterdrückern.
Es wurde doch schon immer an den Sypmtomen herumgedoktert, anstatt die Systemfrage zu stellen… 😦
@Altautomer
Jetzt beginne ich zu verstehen, weil es konkret wird: Ja, was diese „Tafeln“ betrifft, also die bürokratische Versorgung mit Lebensmitteln von oben, wird was abgeht schon sprachlich deutlich: dort kriegen nur verduckte Arme, offiziell´“geprüfte Bedürftige“ genannt, was …
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