Schönheit, die von oben kommt. Thesen zu Gerhard Merz, dem Künstler.
Die Kunst des Gerhard Merz, sein absolutistischer Geometrismus, ist nicht nur für die Schule unter folgender Fragestellung von Interesse: Sind es Formen, Regeln, Zahlen, die der Heranwachsende nur lernend zu übernehmen braucht, um an allgemeingültiger, objektiver Wahrheit zu partizipieren, oder ist es die Einübung der Fähigkeit, Subjektivität (Erlebnisse, Erlittenes, Triebstrukturen, Bedürfnisse und Widersprüche…) zu reflektieren, schriftlich oder bildnerisch zu verarbeiten und zu gestalten? Es ist, wie sollte es anders sein, die alte Frage, ob Bildung wirksamer durch die Übernahme eines Kanons oder durch den Primat der Erfahrungsbezogenheit sich vollzieht. Diese Frage ist hinsichtlich der Kunst im ausgehenden 18. Jahrhundert unter dem Stichwort «Streit der Antike und der Moderne» dahingehend beantwortet worden, daß Kunst, wenn sie Substanz haben soll, nur authentische Kunst sein kann. Der Versuch, aus den Werken der Alten Regeln zu abstrahieren und diese anzuwenden, führte nur zu einer steifen und hölzernen Kunstform. Man kam also zu der Einsicht, daß jedes Zeitalter seine eigenen Formen braucht und diese deshalb erst finden und entwickeln muß, und zwar aus den Erfahrungen des Subjekts, die dieses in und mit seiner Epoche macht.
Zwei der bedeutendsten Texte zu diesem Thema sind Schillers Abhandlung «Über naive und sentimentalische Dichtung» und Friedrich Schlegels Aufsatz «Über das Studium der griechischen Poesie». Was in der Philosophie des deutschen Idealismus und der deutschen Romantik Allgemeingut war, ist mit fast zweihundert Jahren Verspätung in die Curriculumdiskussion herabgesickert und hat sich hier unter dem Begriff des erfahrungs- und schülerbezogenen Unterrichts manifestiert. Merz gehört zur Gegenseite, sein Programm ist die Übernahme und Vollendung eines Kanons – des Kanons der Moderne: Wer es lernt, Reißschiene und Lineal zu beherrschen, um das Rechteckige in all seinen Erscheinungsformen zu perfektionieren, partizipiert am Absoluten. Wer einen Sinn für Dialektik hat, wird sofort bemerken, daß auf dem Hintergrund des Streits «Moderne contra Antike» bei Merz nun die Moderne zu einer Art Antike wird, die in seiner klassizistischen Formensprache zum Ausdruck kommt. Klassizistisch? Nicht nur, sondern gemischt mit den Formen des Suprematismus, Neo-Plastizismus, Konstruktivismus, Bauhaus usw.
Im Jahre 1990 gab es im Kunstverein Hannover eine Merz-Ausstellung mit dem Titel «Den Menschen der Zukunft». Vorm Eingang des Kunstvereins wehten, ich kann mich nicht mehr genau erinnern, eine oder zwei rote Flaggen mit einem schwarzen Quadrat darauf. Dieses war gedacht als Hommage an Malewitsch. Der erste Raum in dieser Ausstellung zeigte den maßstabsgerecht auf die Wand gemalten Schriftzug aus Mondrians Bauhausbuch
«Neoplastizismus»,
d. h. die Widmung – in der Bauhaustypographie -, die Mondrian diesem Buch voranstellt: «Den Menschen der Zukunft». Der zweite Raum war leer, bis auf den Eintretenden selbst und den Blick aus dem Fenster. Der dritte wurde dominiert von einem Quader, um den herum ein schmaler Gang blieb. Dieser Quader war sorgfältig gemauert und hatte keinen Eingang. Der Besucher war von dessem Inneren ausgeschlossen. Im zentralen, großen Raum des Kunstvereins erstreckte sich über eine Wand ein riesiges, schmales Rechteck in Schwarz, das gehalten und unterteilt wurde durch drei Chromstangen.
(Auf Bild klicken, um es zu vergrößern. Wiebke Lange in der Rolle der Ida des Merz.)
Im fünften Raum stand ein Tisch mit einer Reißschiene darauf, über dem Tisch an der Wand ein monochromes Bild. Der sechste und letzte Raum präsentierte dem Betrachter über eine ganze Wand hinweg ein Zitat aus Paul Valerys «Eupalinos». Das war alles.
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Ich habe damals im Seminar mit meinen Studenten den Frevel begangen – Frevel in den Augen von Kunsthistorikern und Ausstellungsmachern, die Vergleiche zwischen der bildenden Kunst und anderen Kunstformen gar nicht lieben, weil sie Relativierungen fürchten -, Gerhard Merz mit Woody Allen zu vergleichen, insonderheit mit den Filmen «Der Stadtneurotiker» und «Manhattan». Eine Fragestellung dieser vergleichenden Betrachtung war: Wie zitieren beide Künstler Tradition und wen zitieren sie?
Um zu erklären, worauf diese Fragestellung hinausläuft, möchte ich auf eine Übereinstimmung hinweisen, die sich zwischen meinen Erfahrungen und dem ergeben hat, was Roland Barthes in seinem Buch über Fotografie «Die helle Kammer» schreibt: Er betrachtet dort nicht die Fotografie unter einem historischen Gesichtspunkt, nach dem Motto, beschreiben wir objektiv, was es bisher in der Geschichte der Fotografie so alles gegeben hat, sondern er zeigt nur solche Fotos, die für ihn ganz subjektiv von Bedeutung sind, die ihn irgendwie, und sei es nur mit einem Detail, beeindruckt haben. Die Gespräche mit Studenten über dieses Buch ergaben, daß wir die Empfindungen von Barthes gegenüber den einzelnen Fotos nicht teilten, daß wir aber dieses Beeindrucktsein kannten anhand anderer Fotos, anhand von Literatur, Filmen oder Werken aus der Musik und der bildenden Kunst. Ein Beispiel: Mir haben sich zwei Verse von Gottfried Benn eingeprägt, dessen Gedichte ich vor zirka dreißig Jahren auf einer Schallplatte «Jazz und Lyrik» immer wieder hörte (ich zitiere aus dem Gedächtnis): «Hör gar nicht hin, die leisen und die lauten Beteuerungen haben ihre Frist.» Jene Verse haben mir als Jugendlichem deutlich gemacht, wie kurz doch die ewige Treue währen kann, die Verliebte einander schwören, und jene werden immer dann aktualisiert, wenn es um Versprechungen geht, um Vertrauen, um die
Tragfähigkeit von Zusagen.
Benn hat mich in der Erfahrung bestätigt, daß wir oft nicht zu dem dauerhaft stehen können, was wir – bedingt durch Stimmungen – dem anderen sagen, daß also Vorsicht geboten ist, und es meistens weniger weh tut, wenn wir nicht auf das bauen, was uns der andere verheißt. Es sind Verse, die wie eine unwillkürliche Erinnerung die Dunkelheit des gelebten Augenblicks erhellen und die durch den Kontext der Situation immer wieder eine neue Bedeutungsnuance erhalten. Auf ähnliche Weise verwendet Woody Allen etwa Zitate von Sigmund Freud. Sie helfen, ein Lebensproblem zu verstehen, so daß man besser damit umgehen kann. Eine vor langer Zeit gemachte Einsicht wird wieder lebendig in der Gegenwart. So zitiert Allen im «Stadtneurotiker» einen Satz von Groucho Marx, den er auf Freud zurückführt: «Einem Club, der mich als Mitglied aufnimmt, kann ich nicht beitreten.»
Allen (im Film) erläutert dem Zuschauer mit diesem Zitat das Scheitern seiner Beziehung (im Film) zu Allison, und er spricht damit zugleich eine von vielen gemachte paradoxe Erfahrung aus: Solange man einsam ist, hat man Sehnsucht nach einer sich erfüllenden Beziehung, in der man es dann, wenn sie eintritt, nur für kurze Zeit aushält, gerade weil man vom anderen ohne Vorbehalte akzeptiert wird. Es fehlt in dieser Beziehung der irrationale Faktor der Ungewißheit, der den Besitzinstinkt anstachelt und die Liebe so lange wachhält wie der andere sich entzieht und man nicht gänzlich über ihn verfügt.
Woody Allen zitiert ins Leben,
Gerhard Merz ins Leere.
Was besagt das Zitieren des schwarzen Quadrats von Malewitsch im Zusammenhang mit Mondrians Hoffnung auf den Menschen der Zukunft? Deutet man die Flagge (schwarzes Quadrat auf Rot) als Symbol, das über der Ausstellung schwebt wie ein Motto, dann steht das im Widerspruch zum Titel der Ausstellung «Den Menschen der Zukunft», denn Malewitsch und Mondrian sind, der theoretischen Begründung ihrer Kunst nach Kontrahenten. Für den Russen ist die Existenz des Menschen an sich schuldhaft, weil er denken kann und sich damit zwangsläufig von der Natur abgelöst hat. Boris Groys hat auf dem Kasseler Symposion «Die Konstruktion der Utopie» (1991) gesagt: «Wenn es nach Malewitsch gegangen wäre, dann hätte es im Paradies keinen Baum der Erkenntnis geben dürfen.» Malewitsch war von der Sehnsucht nach der Ungetrenntheit des Menschen mit der Natur beseelt. Dies bedingte, daß er jeglichen (technischen) Fortschritt, daß er letztlich Geschichte selbst ablehnte. Mondrian hingegen glaubte an den Fortschritt der Menschheit; er war überzeugt davon, daß sich mit Hilfe der Mathematik das Wesen der Natur aufschließen und in abstrakten Gleichgewichtsbeziehungen darstellen ließe. Dies sah er in seinen Bildern weitestgehend realisiert. Die Maschine feierte er nicht nur als Symbol der Naturbeherrschung, sondern auch als eine Erscheinung des Absoluten. Mondrians Malerei stand für eine Zukunft, in der mit Hilfe von Mathematik, Naturwissenschaft und Technik eine neue Welt konstruiert werden sollte:geradlinig, rechtwinklig, rhythmisiert. Eine schöne neue Welt auf der Basis der Erkenntnis abstrakter Bauprinzipien. In Mondrians Denken ist die Gen-Technologie im Keim schon angelegt.
Merz stellt Mondrian und Malewitsch einfach nebeneinander, ohne irgendeine Stellung zu beziehen.
Wer sich mit der Theorie von Mondrian und Malewitsch nicht beschäftigt hat, wird allenfalls beim Anblick der Flagge und des Schriftzuges die Namen dieser beiden Heroen der Moderne assoziieren, aber keinen tieferen Sinn oder Zusammenhang damit verbinden. Erst derjenige, der die Schriften von Mondrian und Malewitsch studiert hat, weiß um den geistigen Gehalt der Zitate. Den Menschen der Zukunft, der sich im Medium der Technik verwirklicht, hatte Mondrian vor Augen, als die negativen Auswirkungen der Industrialisierung noch nahezu unbekannt waren. Gerhard Merz lebt in der Gegenwart, in der sich die Folgen des ungehemmten Fortschrittsglaubens von Tag zu Tag immer deutlicher abzeichnen. Trotz der sehr wahrscheinlich gewordenen ökologischen Katastrophe hält Merz unbeirrt einseitig an der Tradition der Moderne fest, die am stärksten an diesem Fortschrittsglauben partizipierte. Indem Merz sich auf die klassische Moderne bezieht, tradiert er zwar Geschichte, indem er aber so tut, als wäre die Dialektik der Aufklärung noch völlig unbekannt, künstlert er geschichtslos.
Vom Menschen der Zukunft, den Mondrian sich erhoffte und an den Merz mit seinem Programm der Vollendung der geometrischen Moderne noch immer glaubt, ist ein Torso übriggeblieben. Siehe Francis Bacon, Bruce Nauman, Marlene Dumas, Via Lewandowski. Geschichte, die in ihrer Negativität nicht verarbeitet wird, Leben bloß entgegengesetzte Utopie wird mitschuldig daran, daß die Utopie dem Leben ewig bloß entgegengesetzt bleibt. Formen, die das Leben nicht in sich einlassen, verändern es nicht. Die Form bleibt leer und das Leben ungeformt.
Grundsätzlich darf man schon Kunstwerke der bildenden Kunst mit anderen Kunstformen vergleichen. Aber nicht willkürlich.
Ich sehe hier überhaupt keinen Grund, Gerhard Merz ausgerechnet mit Woody Allen zu vergleichen. Es ist klar, dass man auf keinen grünen Zweig kommt, wenn man sich eine Merz-Ausstellung mit Allen und Roland Barthes im Rücken anschaut: Gerhard Merz zitiert wohl in den Tod (ins Leere) statt ins Leben, was aber doch das selbe ist, oder nicht? Will ich mir von Kunst irgendwelche „Lebenshilfe-Tipps“ holen, bin ich in der falschen Branche.
Kunst ist – jedenfalls für Gerhard Merz – etwas Absolutes, Kompromissloses. Was aber nicht heisst, dass mit Absolut eine objektive Wahrheit gemeint ist. Zu einer „objektiven Wahrheit“ gelangt man weder durch stures studieren von Literatur, noch durch naives, subjektives Empfinden; sondern im Normalfall überhaupt nicht.
PS: Man darf nicht vergessen, dass es sich bei der hellen Kammer von Barthes um ein Werk über Fotographie handelt und nicht um ein Werk über Malerei. Der Ausgangspunkt dieser Arbeit ist der „Abdruck“, der „Index“, oder besser: die Unlösbarkeit vom „Referenten“. Und Barthes beurteilt alle diese Fotos unter diesem Aspekt, wodurch seine subjektiven Beurteilungen ihre Berechtigung haben. In der Malerei funktioniert diese Betrachtungsweise nicht oder nur eingeschränkt.
Weil die Kunst steril und ohne Aussage ist kann alles und garnichts hinnein interpretiert werden .
Mondrian und Malewitsch belästigen den Geist mit Farbe davon befreit uns Merz.
Anmerkung Klaus Baum:
Werter Herr Buddenberg,
wo ist denn die Farbe im Suprematismus von Malewitsch?
Ist ihr Beitrag ernst gemeint, oder ein Scherz?
Ungeachtet der Frage nach meinen Sympathien oder Antipathien zu deren Kunst: Ein Vergleich zwischen Merz und Allen hinkt; etwa so, als würde Metaphysik mit Psychologie oder Soziologie verglichen.
Bei Merz geht es rein formal um ein Verhältnis zwischen Malerei und Architektur, also um Fläche und Raum – das auch bei Malewitschs Quadraten eine Rolle spielt (die übrigens kaum wirklich rechtwinklig – und nie rein symbolisch sind, sodass die Bilder ihre Spannung aus der “erlebbaren“ “Figur-Grund-Problematik“ und aus dem Hin- und Herkippen von Fläche in “imaginärem” Raum und umgekehrt beziehen) – und es geht um ästhetische Kategorien wie das Schöne und das Erhabene, die natürlich nicht “alltagstauglich” sind (vergleichbar mit Sakralbauten aller Art). Der Mensch wird indirekt thematisiert, aber es geht auch um eine “höhere, spirituelle Ebene“. Mit einer technokratisch-rechtwinkligen Moderne hat das nichts gemein.
Allen dagegen interessiert Architektur überhaupt nicht, allenfalls als Stimmungskulisse, sondern eher die “Software“ Mensch. Wenn überhaupt, dann ist “Architektur” hier zu deuten als “sozialer Organismus Stadt“ in dem Bewegungen bzw. Ereignisse stattfinden, eben menschliche Irrungen und Wirrungen. Allen betreibt sozusagen soziale Miniatur-Studien, die aber in keinem Ursache-Wirkungs-Verhältnis zu Architektur stehen und somit in gewisser Weise diametral entgegengesetzt sind zu den “menschenleeren” “Archipitturen” von Merz, der mit seinen Arbeiten meiner Ansicht nach auch eine Verbindung von Intellektualität und Körperlichkeit beabsichtigt.
Die Konstatierung der “Leere”, die Sie angesichts einer Räume in der Ausstellung im Kunstverein Hannover empfanden, erscheint mir wie eine Enttäuschung. Aber wie schon bei Malewitsch geht es auch bei Merz um das unmittelbare Erleben, ja, um “Erfahrung”, die Sie doch als wichtig erachten, Erfahrung mit “Maßen” (bei Merz im übertragenen Sinn auch durch die Reißschienen gezeigt und es muss zugestanden werden, dass Merz nicht nur ein sensibles Gespür für symbolische Wirkung, sondern auch für die unmittelbare (“absolute”!) von Maßen, Formen und Farben hat) – wie immer bei Architektur, denn der Raum ist deren Thema – einerseits; andererseits ist das Thema der Mensch, als deren Nutzer. Aber bei den oben schon erwähnten Sakralbauten geht diese Nutzung über alltägliche Bedürfnisse hinaus.
In diesem Zusammenhang sehe ich auch die Arbeiten von Merz. Für Kant stellt sich das Erhabenheitserlebnis meines Wissens zunächst als Gefühl ein, das der Intellekt einordnet und damit dessen Unmittelbarkeit (“An-Sich-Sein“?) “entschärft” (relativiert). Aber der Gegenstand ist damit nicht aus der Welt und es bleibt dieses “Pendeln” zwischen unmittelbarer Wirkung und Intellektualisierung und es bleibt die Möglichkeit: dies ständig zu erfahren.
Nicht, dass ich die von Merz repräsentierte Philosophie vertrete, aber: Ein Vergleich zwischen Merz und Allen hinkt; etwa so, als würde der Zweck von Metaphysik gegen den von Psychologie oder Soziologie abgewogen.
Bei Merz geht es rein formal um ein Verhältnis zwischen Fläche und Raum resp. Malerei und Architektur – ersteres spielt auch bei Malewitschs Quadraten eine Rolle (die übrigens nicht rein rechtwinklig – und nie nur symbolisch sind, sodass die Bilder ihre Spannung aus der “erlebbaren“ “Figur-Grund-Problematik“ und aus dem Hin- und Herkippen von Fläche in “imaginären” Raum und umgekehrt beziehen) – und es geht um ästhetische Kategorien wie das Schöne und das Erhabene, die natürlich nicht “alltagstauglich” sind (vergleichbar mit Sakralbauten aller Art). Der Mensch wird indirekt thematisiert, aber es geht auch um eine “höhere, spirituelle Ebene“. Mit einer technokratisch-rechtwinkligen Moderne hat das nichts gemein.
Allen dagegen interessiert Architektur überhaupt nicht, allenfalls als Stimmungskulisse, sondern eher die “Software“ Mensch. Wenn überhaupt, dann ist “Architektur” hier zu deuten als “sozialer Organismus Stadt“ in dem Bewegungen bzw. Ereignisse stattfinden, eben menschliche Irrungen und Wirrungen. Allen betreibt sozusagen soziale Miniatur-Studien, die aber in keinem Ursache-Wirkungs-Verhältnis zu Architektur stehen und somit in gewisser Weise diametral entgegengesetzt sind zu den “menschenleeren” “Archipitturen” von Merz, der mit seinen Arbeiten meiner Ansicht nach auch eine Verbindung von Intellektualität und Körperlichkeit beabsichtigt.
Die Konstatierung der “Leere”, die Sie angesichts einiger Räume in der Ausstellung im Kunstverein Hannover empfanden, erscheint mir wie eine Enttäuschung. Aber wie schon bei Malewitsch geht es auch bei Merz um das unmittelbare Erleben, ja, um “Erfahrung”, die Sie doch als wichtig erachten, Erfahrung mit “Maßen” (bei Merz im übertragenen Sinn auch durch die Reißschienen gezeigt und es muss zugestanden werden, dass Merz nicht nur ein sensibles Gespür für symbolische Wirkung, sondern auch für die unmittelbare (“absolute”!) von Maßen, Formen und Farben hat) – wie immer bei Architektur, denn der Raum ist deren Thema – einerseits; andererseits ist das Thema der Mensch, als deren Nutzer. Aber bei den oben schon erwähnten Sakralbauten geht diese Nutzung über alltägliche Bedürfnisse hinaus.
In diesem Zusammenhang sehe ich auch die Arbeiten von Merz. Für Kant stellt sich das Erhabenheitserlebnis meines Wissens zunächst als Gefühl ein, das der Intellekt einordnet und damit dessen Unmittelbarkeit (“An-Sich-Sein“?) “entschärft” (relativiert). Aber der Gegenstand ist damit nicht aus der Welt und es bleibt dieses “Pendeln” zwischen unmittelbarer Wirkung und Intellektualisierung und es bleibt die Möglichkeit: diesen “Widerstreit” unabschließbar zu erleben.
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