Zentral in Schellings Ästhetik, die er in seinem „System des transzendentalen Idealismus“ entwickelt, ist der Gedanke einer Transzendierung der Intention. Bei Gesprächen über diese Gedankenfigur, Kunst entstehe nur da, wo beim Kunstschaffen die Intention oder Absicht des Künstlers transzendiert werde; bei Vorträgen über Kunst oder Führungen durch die documenta in Kassel habe ich immer wieder aufs Neue Unverständnis erlebt: „Transzendierung der Intention – was ist das denn?“ Am ehesten konnte ich die Gesprächspartner dann erreichen und eine Ahnung in ihnen hervorrufen, wenn ich auf die Erfahrungen im Bereich der Liebe zu sprechen kam (1). Liebe, das kennen die meisten, ist nicht machbar, nicht erzwingbar, nicht herbeiführbar, sie läßt sich nicht fordern und nicht gebieten. Zwar kann man mit der Absicht auf einen Markt gehen, um Gemüse kaufen, aber man kann nicht sagen, ich gehe jetzt zum Markt, spreche dort eine Frau, einen Mann an und sage zu ihr, zu ihm, wir wollen uns lieben. Liebe ist keine Frage des Willens, selbst wenn sie von beiden Seiten gewünscht würde.  Und in der Regel sind die intensivsten Beziehungen diejenigen, die sich einer unverhofften Begegnung verdanken. Liebeserfahrungen im Sinne von Glückserfahrungen ereignen sich, ihnen inhäriert ein Moment der Absichtslosigkeit. Sex kann man kaufen, Liebe nicht.

Das Absichtslose, paradox formuliert, ist conditio sine qua non des Erlebens und der Erfahrung des erfüllten Augenblicks, und es ist das konstituierende Moment eines Kunstwerkes. So jedenfalls sehen es nach Schelling hundert bis hundertfünfzig Jahre später Schriftsteller wie Proust und Beckett und der ebenfalls von Proust beeinflusste Walter Benjamin, der wiederum Adorno nicht unwesentlich geprägt haben dürfte. Adorno schreibt in der „Ästhetischen Theorie“ sinngemäß: Zentral für die Kunst ist die Frage nach ihrem Wahrheitsgehalt, also danach, wie etwas, das gemacht, philosophisch gesprochen, bloß gesetzt ist, wahr sein kann. Konkreter läßt sich Adornos Position an folgendem Zitat verdeutlichen (das Zitat steht in einem Kontext, dem zufolge der Wahrheitsgehalt der Kunstwerke kein Gemachtes sein kann): „Daß große Künstler, der Goethe des Märchens und Beckett gleichermaßen, mit Deutungen nichts zu schaffen haben woll(t)en, hebt einzig die Differenz des Wahrheitsgehaltes vo(m) Bewußtsein und Willen des Autors, und zwar mit der Kraft seines eigenen Selbstbewußtseins hervor.“

Man möge das bisher Gesagte als eine kleine Eröffnung betrachten, denn die Thematik von Bild und Begriff bei Schelling beziehungsweise in der Kunsttheorie und in der Kunst selbst ist äußerst komplex, da es – nicht nur bei Schelling – alle Lebensbereiche umfasst. Wenn ich also im Beisein anderer sage, Wahrheit sei die Transzendierung der Intention und die bewußter Absichten, dann mache ich zumeist die Erfahrung von Fremdheit, zumal viele allergisch reagieren, wenn man behauptet, daß es möglich sei, Wahrheit und Unwahrheit unterscheiden zu können, denn sofort unterliegt man dem Verdacht, man trete mit dem Anspruch auf, im Besitz der alleinseligmachenden Wahrheit, also ein Fundamentalist zu sein. Möglicherweise ist solch eine allergische Reaktion darauf zurückzuführen, daß die Menschen seitens der Politik, der Wirtschaft und der Medien mit ungeheuerem Propaganda-Aufwand ständig etwas eingeredet bekommen, daß ihren eigenen Wahrnehmungen widerspricht und sie derart verwirrt und konfus macht, daß sie sich selbst kein Urteil mehr zutrauen und jeden als Rechthaber empfinden, der behauptet, man könne durchaus wahr und falsch unterscheiden, zutreffende Urteile fällen in einer Gegenwart, in der die Durchsetzung von Interessen, in der Machtkämpfe, Intrigen, Lügen, Verdrehungen, Verleumdungen und Ellenbogengebrauch so selbstverständlich geworden sind, daß alles andere als merkwürdig, seltsam und verschroben erscheint.

„Unter den Linden“ in Berlin, so heißt es, soll jeder zweite, der dort flaniert, ein Lobbyist sein, der die Profitinteressen seines Arbeitgebers vertritt und versuchen muss, das beste für seine Firma, für seinen Verband herauszuholen, und zwar – im Idealfalle – dadurch, daß er, der Lobbyist, in der Politik mitwirkt und selbst die Gesetze schreibt, die seine Politikerfreunde dann im Parlament durchbringen sollen. Der Kabarettist Georg Schramm nannte die im Bundestag vertretenen Politiker Marionetten, die an den Fäden der Industrie und der Banken hängen und uns so in der Berliner Puppenkiste Demokratie vorspielen dürfen. Der Neoliberalismus, der seit dem Wegfall der Mauer sukzessive nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ die Macht über die Politik und über die Köpfe mit Hilfe von OECD, IWF, INSM, Bertelsmann und willfähriger Medien übernommen hat, ist eine historische Gestalt rücksichtsloser Interessendurchsetzung, die alle Lebensbereiche bestimmen und kontrollieren will und sie zu diesem Zwecke infiziert, verseucht, durchdringt (fernsehsendung: arzt und junge. Es ist modern, nicht mehr krankzumachen). Soziale Kälte und das durch keinen kategorischen Imperativ gebremste Profitstreben einiger weniger (im Verhältnis zur großen Mehrzahl der Bevölkerung) sind die zwei Seiten der neoliberalen Medaille.

Was sich im Verhältnis der Banken- und Industrie-Bosse zur Politik abspielt, findet sich bereits im Inneren der Parteien selbst. Wer dort einmal an Sitzungen teilgenommen hat, dürfte die Erfahrung gemacht haben, daß der Begriff der Strategie im Denken der Politiker dominiert. Strategie heißt, wie setze ich, wie setzen wir meine beziehungsweise unsere Ideen am geschicktesten durch, welche Winkel- und Schachzüge müssen vollzogen werden, um am Ende der Gewinner zu sein.

Um es auf den Punkt zu bringen: Das Geschichtshandeln ist zumeist geprägt vom Willen zur Macht, um dem eigenen beschränkten oder gar falschen Bewußtsein, das man selbst für das richtige hält, zur Durchsetzung und zur Dominanz zu verhelfen. Oft gehen die, die meinen, das Richtige zu tun, über Leichen. Am deutlichsten ist das am Nationalsozialismus nachvollziehbar. Der Mediziner Viktor von Weizsäcker, Onkel des späteren Bundespräsidenten, schreibt – mit der Verblendung und  Uneinsichtigkeit des Herrenmenschen – zwei Jahre nach Kriegsende, also 1947: „So wie die Amputation eines brandigen Fußes den ganzen Organismus rettet, so [rettet] die Ausmerzung der kranken Volksteile das ganze Volk.“  Und er fügt hinzu: „Wenn das ganze Volk in Lebensgefahr schwebt und durch Beseitigung einzelner Individuen gerettet werden kann, müssen diese Individuen geopfert werden.“  Wobei immer der Herrenmensch bestimmt, wer ausgemerzt wird. Aus heutiger Sicht wäre für Viktor von Weizsäcker die einzig richtige Konsequenz aus seiner Denke die gewesen, sich selbst umzubringen.

Aber selbst dann, wenn es nicht um die Erringung von Macht geht,  nicht darum, Wahnvorstellungen zu realisieren anm(etwas nach dem Motto heute gehört uns deutschland und morgen die ganze welt), ist das Handeln einer Fatalität unterworfen, denn dem Philosophen Odo Marquardt zufolge ist das Gegenteil von Gut das Gutgemeinte(diss 432 marq. Ende des schicksals?). Diese Redewendung ist allerdings nichts anderes als eine Banalisierung des Begriffs der Tragik, wie er sich im Drama „Ödipus Rex“ von Sophokles findet: Tragik ist, wenn das Unglück gerade dadurch herbeigeführt wird, indem man es abzuwenden trachtet. (anm: marquardt suggeriert, das alles mit guter absicht begonnene im unguten endet, was natürlich nonsens ist. Ebenso endet nicht jede absicht, ein unheil abzuwenden, so, daß man das unheil gerade dadurch bewirkt.)

 

Das Eigentümliche der Philosphie Schellings, ich spreche vom „System des transzendentalen Idealismus“, in dem er die Kunst zum Organon von Geschichte und Philosophie erhebt, das Eigentümliche besteht darin, daß Schelling nicht von besonderen Vorstellungen, Absichten, Willensinhalten spricht, nicht von konkreten, einzelnen Bewußtseingehalten, sondern für ihn ist das Handeln auf der Basis von Erkenntnis und Denken schlechthin mit einer tragischen, schicksalhaften Komponente ausgestattet. Die Erklärung dafür ist einfach: Menschliche Erkenntnis ist partikular, begrenzt, sie ist mit einem zeitlichen Index versehen, das heißt, unser Handeln zeitigt seine Wirkungen, seine ganzen Auswirkungen erst in der Zukunft. (anm gottfried von straßburg: vorbesichtic 7905ff. zu einem guten ende bringen) Einzig und allein ein absolutes Bewußtsein, das Vergangenheit und Gegenwart vollständig überblickte, wenn es denn das gäbe, könnte das Handeln im Hier und Jetzt schon von seinen Wirkungen in fernster Zukunft her bestimmen. Vor aller Differenzierung des Inhaltes der Gedanken, aufgrund derer wir handeln – wobei der Gedanke zumeist instinktgesteuert ist -, vor aller Unterscheidung dieser Inhalte von wahr und falsch, von human und inhuman, ist das Tun der Menschen dem Schicksal unterworfen. Oder doch nicht ganz, denn für Schelling gibt es noch die Vorsehung. Und dann doch wieder nicht. Was ich hier so unentschieden sage, ist keineswegs bloße Wortspielerei, sondern charakterisiert die äußerst ambivalenten Bestimmungen Schellings in seinem „System des transzendentalen Idealismus“. Um besser zu verstehen, was Schelling meint, ist es sinnvoll, Hegel zum Vergleich heranzuziehen (anm. hinweis auf kant, den schelling kannte. Es geht nicht um eine zeitliche ableitung, sondern um den unterschied der positionen). Hegel hatte ein derart starkes Selbstvertrauen, dass er von der Gewissheit beseelt war, (anm man könnte diese Gewissheit auch Hybris nennen), mit seiner „Wissenschaft der Logik“ die Gedanken Gottes vor der Schöpfung gedacht zu haben. Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Und als die Schlange Eva dazu überredete, vom Baum der Erkenntnis zu essen, sagte sie: „Sobald ihr (Eva und Adam) davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet sein wie Gott und Gut und Böse erkennen.“   (anm. unterschied zwischen dem sofort bösen und dem zunächst guten, das sich erst spät als böse erweist).

Ist für Hegel die Natur eine Schöpfung des absoluten Geistes, so auch die Geschichte, und zwar im Sinne einer Selbstentfaltung Gottes durch die Widersprüche und Antagonismen hindurch, welche die Menschen produzieren. Leiden, Unterdrückung, Grausamkeiten, Kriege, Erdbeben, so hart sie auch einzelne Menschen treffen können, befördern die Erkenntnis, die Bewußtwerdung des Menschen und dessen Einsicht in den Schöpfungsplan Gottes. Hegel, so scheint es, ist von einem Gesamtsubjekt ausgegangen, in dem das Erkennen kulminiert und das Handeln unter dem Motto von „peace and good will“ immer besser gelingt (anm. adorno: es gibt keine universalgeschichte vom wilden zur humanität, sondern von der steinschleuder zur megabombe. Siehe robert morris documenta 8).

Schelling lehnt die Hegelsche Verabsolutierung begrifflicher Erkenntnis ab und verneint – sogar im Hinblick auf einen Schöpfergott – die Annahme, daß dieser sich bei seiner Schöpfung etwas gedacht und sie absichtsvoll ins Werk gesetzt habe. Für Schelling entspringt Natur einem blinden Mechanismus, sie ist für ihn ein blindes Produkt, daß aber dennoch in sich zweckmäßig organisiert ist. Da Zweckmäßigkeit aber ein geistiges Prinzip ist, so wird jedenfalls angenommen, muß Natur für ihn die Inkarnation eines Widerspruchs sein. Deshalb besteht das Eigentliche der Natur darin, „daß eben da, wo keine Absicht, kein Zweck ist, die höchste Zweckmäßigkeit erscheint.“ 205 (Sy 277)  Gott kann – Schelling zufolge – die Natur nicht mit Bewußtsein oder mit Bewußtheit geschaffen haben: Für Schelling ist das Absolute an sich absolut bewußtlos und ungeschieden, es ist gleichsam unauflösbar in die Natur verflochten oder wie das Salz in der Suppe in ihr untrennbar aufgelöst.

Schelling entwickelt im „System des transzendentalen Idealismus“  sein Verständnis von Kunst, also das Verhältnis von Begriff und Bild im Kontext der soeben angesprochenen Vorstellung von Natur, des Rechtssystems und des Begriffs der Geschichte. In all diesen Bereichen geht es zentral um das Verhältnis des Subjekts zu einem Gegenstand, der hervorgebracht oder produziert wird. Die Natur entspringt, wie bereits erwähnt, einem blinden Mechanismus, ist aber in sich selbst zweckmäßig organisiert. Die Geschichte nun wird von den Menschen betrieben, aber eben so, daß sie auschließlich schicksalhaft mißlänge, gäbe es da nicht die Vorsehung, die das, was Menschen beginnen, gelegentlich zu einem harmonischen Ende führt. (anm. hier noch einmal gottfried von straßburg: vorbesichtic heißt, daß der handelnde mensch vorausdenkt. Wenn ich eine straße entlang fahre, denke ich, es könnte hinter einer aus meiner richtung nicht einsehbaren straßenecke ein auto komme, als halte ich vor der ecke an und schaue zuerst, ob die luft rein ist) Schelling umkreist das Problem des Geschichtshandeln in immer wieder neu ansetzenden Bestimmungen; in dem Augenblick aber, wenn man meint, jetzt läßt er das Handeln gut enden, ist doch wieder das Schicksal dominant. Und wenn man meint, jetzt wäre die Vorsehung aktiv, verlegt Schelling dann doch ihr Mitwirken in der Geschichte in eine ferne, unerreichbare Zukunft. So heißt es bei ihm: Wenn die Periode der Vorsehung sein wird – und die wird erst in einer unendlich fernen Zukunft sein -, dann wird auch Gott sein. Anders als bei Hegel müsste man bei Schelling von einem deus absconditus, von einem abwesenden Gott, sprechen, der dann aber doch wiederum nicht völlig abwesend ist, sondern anwesend im Kunstschaffen und im Kunstwerk.

Mit einigen Skrupeln sehe ich mich genötigt, Schellings Überlegungen der Klarheit halber hier zu reduzieren: Es gibt zwischen den handelnden Menschen  und ihrem Telos, nämlich der Utopie einer befriedeten, harmonischen Gesellschaft, eine unauflösbare Kluft. Diese Utopie ist Sinn und Zweck allen Handelns. Mit weniger als der Vorstellung vom „ewigen Frieden“  geben sich in der Regel Philosophen nicht zufrieden. Geschichte wird so zu einer Art ruhelosem ad infinitum: Man mag sich noch so sehr strebend bemühen, erlöst wird man deshalb trotzdem nicht. Die Stellung des Menschen in der Welt, seine Existenz ist gekennzeichnet durch das Kainsmal der Entzweiung oder, wie Manfred Frank es mit Bezug auf Schelling formulierte, durch den unendlichen Magel an Sein. Leben ist immer zu wenig, und das Leiden truimphiert statistisch gesehen über das Glück. Beckett hat diese Lebensauffassung einhundertfünfzig Jahre später erst so ausgedrückt: „der Tag erglänzt für einen Augenblick und dann von neuem die Nacht“ –  und sie hernach radikalisiert: „birth was the death of him.“  Zwischen Geburt und Tod gibt es dann noch nicht einmal mehr den Lichtfunken des Glücks. Das Leben schleppt sich dahin zwischen dem Jammertal (Barock und Brecht) und den Gipfeln der Verzweiflung (Cioran).

Schelling ist in einem protestantischen Pfarrhaus aufgewachsen, seine kindliche und jugendliche Bildung ist stark geprägt von christlicher Theologie, und sein „System des transzendentalen Idealismus“  (anm:  so habe ich vor fünfundzwanzig Jahren in meiner Dissertation herausgearbeitet) ist – hinsichtlich des darin entwickelten Kunstbegriffs – säkularisierte Christologie. Diese ist die Lehre von Jesus als dem Christus (Jesus meint den historischen Jesus und Christus den geglaubten Erlöser). Zentral für den Protestantismus um 1800 war Luthers Theologie, die man auch als paulinisch-lutherische Theologie bezeichnet, weil Luther sich streng an der Bibel, besonders am Neuen Testament orientierte. Über diese „Schiene“ mag das Christologische in Schellings Ästhetik „geraten“ sein.

Für das Christentum gilt: Der Mensch ist ein unvollkommenes Wesen, dem das vollkommene gegenübersteht, nämlich Gott. Zwischen beiden steht Jesus als Vermittler, als Verbindungsglied. Christlicher Theologie zufolge ist Jesus als der Christus (Paul Tillich) ganz Mensch und ganz Gott. Er verkörperte die nicht-entzweite Existenz oder, wie Tillich sagt, Jesus habe die Essenz unter den Bedingungen der Existenz durchgehalten.

Warum der historische Jesus als der erlösende Christus benötigt wird, erklärt Paulus – meiner Meinung nach in Anlehnung an den griechischen Tragikbegriff – unter anderem im 7. Römerbrief:

„Wozu ich es in meinem Handeln bringe, weiß ich selbst nicht. Denn ich tue nicht, was ich eigentlich will; sondern was ich hasse, das tue ich. (…) Ich weiß: In mir – das heißt: in meinem leiblichen Dasein – wohnt nichts Gutes. Wohl steht mir das Wollen zu Gebote, nicht aber das Gute im Tun zu verwirklichen. Denn nicht, was ich will, tue ich, das Gute; sondern was ich nicht will, das Böse, das betreibe ich. Indem ich aber eben das tue, was ich nicht will, bin nicht mehr ich selbst der Handelnde, sondern die Sünde, die in mir wohnt. So stellt sich mir die (…) Erfahrung ein: Ich will das Gute tun und verfüge doch nur über das Böse.“ (Röm 7,15ff)

Unter Sünde sollte man hier nun nicht das Onanieren und den vor- und außerehelichen Geschlechtsverkehr verstehen, sondern der Mensch in der Sünde ist der Mensch im Widerspruch: sein Tun und Lassen perpetuiert den Schuld- und Verstrickungszusammenhang, aus dem es kein Entkommen gibt. (Daß man zum Beispiel andere im Laufe seines Lebens kränkt und verletzt, ist unvermeidbar; Schuld verstärkt sich da, wo man sie leugnet und wo man sich selbstgerecht im Gefühl der Unschuld verhärtet).

Paulus steigert in Römer 7,24 das Gefühl einer ausweglosen Fatalität zum Ausruf: O ich unglückseliger Mensch! Wer wird mich aus diesem Todesleib erretten?“  Und er gibt selbst die Antwort: „Gott sei Dank durch Jesus Christus, unseren Herren.“  (Röm 25; alle Pauluszitate: Ulrich Wilckens)

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Noch einmal variierend formuliert: Kant geht davon aus, dass die Zweckmäßigkeit der Natur (heute auch bezeichnet als ökologisches Gleichgewicht) 204 oben in der Absicht eines göttlichen Geistes gelegen haben müsse; Schelling hingegen lehnt die Vorstellung ab, dass der Natur der Begriff der Zweckmäßigkeit, daß ihr ein gedanklicher Plan – und es sei ein göttlicher – vorausgegangen sei, denn für ihn ist das Absolute an sich zugleich absolut bewußtlos und ungeschieden. sy 269

 

  1. Der Rückgriff auf die Erfahrungen im Bereich der Liebe ist deshalb von nöten, weil die Gegenwartskunst in ihren vielfältigen Erscheinungsformen selten das noch bietet, was im klassischen, sagen wir, goethischen, turnerschen oder picassoschen Sinne ein Meisterwerk wäre. Wenn man Führungen auf der documenta macht oder auf der Biennale in Venedig, kann man in den seltensten Fällen Kunstwerke finden, an denen man die Transzendierung des intentionalen Bewußtseins demonstrieren könnte.

 

 

>>Unsere Psyche<<, so schreibt der Theaterregisseuer und Essayist Benjamin Korn, >>unsere Psyche besteht aus Labyrinthen und Katakomben des Verdrehens: Niederlagen werden zu Siegen, Angriffe zu Notwehraktionen, Egoismus zu Liebe.<<

 

Institutskolloquium zur Wirtschaftspolitik: „Gut ist das Gegenteil von gut gemeint. Zur Psychologie von Wirtschafts- und Sozialreformen“, Vortrag von Prof. Dr. Detlef Fetchenhauer

http://idw-online.de/pages/de/event18577

 

„Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse“ (Gen 3,5 EU).

 

 

 

Damit sei aber nach H. Junker nicht das moralische Erkenntnisvermögen des Menschen gemeint, sondern, wie 2 Sam 14,17 EU zeige, „ein übermenschliches, an Allwissenheit grenzendes Erkennen […], wie man es dem ‚Engel Gottes‘ zuschrieb

 

Als Motive für das Essen von den verbotenen Früchten sind aus Gen 3,5f. erkennbar:

 

* das durch die Schlange gesäte Misstrauen gegenüber Gott (Unglaube),

* der Zweifel an dessen Güte und Menschenliebe,

* das Verlangen nach einem nur Gott zukommenden Wissen (Hybris).

 

 

 

Das unmittelbare wissen von gut und böse. Du sollst nicht ehebrechen. In dem augenblick, in dem ich das tue, verletze ich und denke nur an mich und meine lust.

 

Das langfristige wissen von gut und böse.

 

Der fluch der bösen tat.

 

Ross macdonald. Die schuld aus der vergangenheit holt die menschen nach 20 jahren ein.

 

Meistens ist es ein mord.

 

Aber die auswirkungen des instrumentellen handelns gegenüber der natur sind zunächst nicht böse. Penicillin rettet menschen, bewirkt langfristig, bei jeder kleinigkeit immunisierung und rettet dann nicht mehr.

 

Zerstörung der ozonschicht. Klimaerwärmung.

 

Ist das schicksal am ende

 

Die beherrschung der welt durch die superreichen oder: ist das schicksal am ende.

 

Kant nimmt, wenn auch bescheidener als Hegel, „eine absichtlich-wirkende oberste Ursache“204 an, und er hebt ausdrücklich hervor, daß sie als Idee für den forschenden Verstand erforderlich ist: „Wir haben nämlich unentbehrlich nötig, der Natur den Begriff einer Absicht zu unterlegen (…)“ 204