„Die Macht des Verbrauches – strategisches Konsumieren“
oder
Es gibt kein richtiges Einkaufen im falschen Wirtschaftssystem
ein Gastbeitrag
Wenn Linke so etwas schreiben, wie der Spiegelfechter, haben sie die Lehren aus dem Shell-Boykott 1995, als der Mineralölkonzern beabsichtigte, die Bohrinsel „Brent-Spar“ im Atlantik zu versenken, offenbar völlig vergessen. Auch damals reagierte man positiv bis euphorisch mit einem Boykott, der Shell-Tankstellen, jedoch ohne einen Liter Sprit weniger zu tanken. Die Medien schrieben damals begeistert von der „Macht der Millionen“. Dabei ging es doch nur darum, ein gutes Gewissen zu haben. Das war aber nur willfährige Heuchelei, marktkonformes Verhalten ohne eigenen Verzicht.
Was die boykottbegleitenden Medien damals nicht berichteten, war die Tatsache, dass die Bundesregierung 1992 die Oslo-Paris-Konvention unterschrieben hatte, nach der Plattformen ausnahmsweise auch im Meer versenkt werden dürfen, und sie hatte nichts dagegen eingewendet, als die britische Regierung sie Anfang 1994 ausdrücklich davon unterrichtete, die „Brent Spar“ im Nordatlantik versenken zu wollen.
Während das gute Ökogewissen durch die Einfüllstutzen der „Konkurrenz“ floss, schwammen gleichzeitig 420 Bohrinseln in der Nordsee, aus denen im Normalbetrieb jährlich 30 000 Tonnen Öl entweichen. Etwa 20 000 Tonnen Öl „gelangen“ jedes Jahr allein in die Nordsee, weil Fahrzeuge und Kraftwerke ihren Kraftstoff nicht vollständig verbrennen. Zusätzlich gelangen etwas 500 000 Tonnen Stickstoff, verursacht durch Industrie und Autoverkehr (freie Fahrt für freie Verbraucher) über die Luft ins Meer.
Warum ich dies nenne: Mit der Brent Spar sollten 100 Tonnen Ölschlamm (90 Anteile Sand, 10 Anteile Öl) versenkt werden, als eine Gesamtmenge von 0,0005 Prozent aller unangefochtenen Öleinleitungen und 0,0033 Prozent der Ölmenge, die im Normalbetrieb der Bohrinseln in die Nordsee geleitet wird.
Die Zahlen und Mengenangaben bezehen sich auf das Jahr 1995.
So erschöpfte sich schon damals der Widerstand darin, dass die Grenze des persönlichen Mutes und des „Widerstandes“ dort verlief, wo 2oo Meter weiter legal beim Shell-Anteilseigner Esso die Spritschleuder vollgetankt wurde.
So wird es jetzt auch im Fall amazon propagiert. Ausweichen auf andere Anbieter, alternativer Konsum, mit der Illusion, dadurch die Strukturen zu zerbrechen. Als nächstes werden Linke im Umkehrschluss dazu aufrufen, mehr Opel-Fahrzeuge zu kaufen, im standortnationalistischen Rausch mit dem Gefühl, etwas Gutes für die Rettung von Arbeitsplätzen im Lande zu tun und die Halden leerzuräumen.
Es gibt kein richtiges Einkaufen im falschen Wirtschaftssystem.
Diese Text wurde teilweise entnommen aus dem Buch „Die Offenbarung der Propheten, Exkurs 2: Der Klassenkampf ist tot, Lang leben Greenpeace und die Verbraucher“ Ebermann/Trampert 1995, konkret litertur verlag
Treffendes Zitat aus »Der kommende Aufstand« zu all dem Geschwurbel vom strategischen Konsum oder selbstauferlegten Konsumbeschränkungen „kritischer“ Verbraucher:
»Es liegt an jedem Einzelnen, sein Verhalten zu ändern«, sagen sie, wenn wir unser schönes Zivilisationsmodell retten wollen. Es muss wenig konsumiert werden, um noch konsumieren zu können. Biologisch produzieren, um noch produzieren zu können. Sich selbst zwingen, um noch zwingen zu können. Und so mag die Logik einer Welt überleben, indem sie sich den Anschein eines historischen Bruchs gibt. So möchte man uns davon überzeugen, uns an den vorrückenden industriellen Herausforderungen dieses Jahrhunderts zu beteiligen. Bekloppt wie wir sind, wären wir bereit, in die Arme derer zu springen, welche die Verwüstung angeführt haben, damit sie uns da rausholen.
Hihi, – die Grünen hatten auch mal geglaubt, dass man Ökologie und Ökonomie strategisch zugunsten von Ökologie beeinflussen könnte. Was darin geendet ist, dass die strategischen Anfänger zu den Profis gegangen sind, – wie man das denn macht. Dreimal darf man raten, wo denn die Profis sitzen.
Treffendes Zitat aus »Der kommende Aufstand« zu all dem Geschwurbel über strategischen Konsum oder die Selbsteinschränkungen „kritischer“ Verbraucher:
»Es liegt an jedem Einzelnen, sein Verhalten zu ändern«, sagen sie, wenn wir unser schönes Zivilisationsmodell retten wollen. Es muss wenig konsumiert werden, um noch konsumieren zu können. Biologisch produzieren- um noch produzieren zu können. Sich selbst zwingen, um noch zwingen zu können. Und so mag die Logik einer Welt überleben, indem sie sich den Anschein eines historischen Bruchs gibt. So möchte man uns davon überzeugen, uns an den vorrückenden industriellen Herausforderungen dieses Jahrhunderts zu beteiligen. Bekloppt wie wir sind, wären wir bereit, in die Arme derer zu springen, welche die Verwüstung angeführt haben, damit sie uns da rausholen.
Ich habe mir mal erlaubt, diesen Eintrag auf zeit.de zu reposten.
Sie sind mir doch hoffentlich nicht böse???
http://www.zeit.de/kultur/literatur/2013-02/amazon-verlage-kommentar?commentstart=1#cid-2615853
no problem
Richtig, so sehe ich es auch.
Die Entscheidung für/gegen den Boykott bestimmter Waren oder eines bestimmten Warenvertriebssystems wie etwa Amazon ist immer nur die einzelne Entscheidung eines vereinzelten Konsumenten – und daher eine rein private und mitnichten eine politische Entscheidung.
Oder vielmehr so politisch wie eine Lichterkette, mit der dann ein Zeichen gesetzt werden soll, was sich dann aber meistens auch nur als Zeichen politischer Dummheit und Hilflosigkeit erweist.
allerdings ist schlecker eingegangen
Ja – und ein dickes Aber: Das Einzelkapital Schlecker ist an der unternehmerischen Inkompetenz des Anton S. zugrunde gegangen … und feiert jetzt seine Wiederauferstehung in dm, rossmann, budnikowsky usw. etc. pp.
Das gesellschaftliche Gesamtkapital haben wir damit noch nicht in die Knie gezwungen.
P.S.: Anton S. war doch sogar zu doof, sein eigenes Häuschen rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.
„daher eine rein private und mitnichten eine politische Entscheidung.“
Das sehe etwas ich anders! Ausgehend vom Menschen als „Zoon politikon“ ist auch die individuelle Entscheidung etwas zu tun oder zu lassen politisch. Im Falle von Amazon ist, so glaube ich vielen Menschen klar, dass sich Amazon systemimmanent verhält – Wachstum um jeden Preis. Aber nicht erst seit dem Blueprint „Die Grenzen des Wachstums“ vom Club of Rome ist klar: Wachstum hat Grenzen. Im vorliegenden „Einzelfall“ ist diese längst erreicht, vielmehr überschritten. Und, da es meiner Meinung ebenfalls wichtig ist, sich stets auch zum Einzelfall zu verhalten, zu positionieren und damit dem eigenen Moralsystem Ausdruck zu verleihen, ist auch die Entscheidung Amazon zu boykottieren eine politische. Sie impliziert Veränderung und das ist eben die eigentliche Aufgabe politischer Entscheidungen (auch wenn Theorie und Wirklichkeit nicht immer deckungsgleich sind).
Klaus, Dein fatalistisches Fazit, dass der Einzelne sich nicht mehr um Moral bemühen müsse, solange die Rahmenbedingungen nicht stimmen, führt ja auch nicht weiter.
Widerwärtig finde ich z.B., wenn Roberto Lapuente im November letzten Jahres über die „statistischen 2440 (Spaniern), die noch kommen werden“ schreibt. Man hat einen Teil dieser Spanier nun gesehen – wie sie in Bussen hertransportiert werden, um ihnen – bewacht von Neonazis – die Cents aus den Rippen zu leiern, um die sich Roberto Lapuente in mittlerweile Hunderten von Amazon-Links und Werbebannern all die Jahre bemüht.
Solche unverfroren offen zur Schau getragene, als linke Aufklärung verkaufte Doppelmoral ist es, die ….. ach, ich führe meinen Ärger besser nicht weiter aus.
Ich finde durchaus, dass dies weiter führt. Und es ist überhaupt nicht fatalistisch. Du fällst selber auf diesen Fatalismus herein. Natürlich ist es wichtig, dass jeder Einzelne sich mit beteiligt. Aber Fatalismus ist, – es ihm zu überlassen. Hey, – ihr seid die Verbraucher. Macht ihr mal hinne. Das ist euer Ding. Gibt es eine elegantere Methode, – die Verantwortung abzugeben? Such nicht die Schuld bei denen, die kritisieren, – und versuchen trotzdem damit zu überleben. Das ist nämlich Doppelmoral.
@ eb
Wieso gebe ich die Verantwortung ab mit dieser schlichten Beobachtung? Kein Stück.
Niemand hat behauptet, dass du sie abgibst. Klaus weist nur darauf hin, dass dies eben andere tun. Deine Beobachtung ist absolut richtig. Niemand ist hier heilig. Auch du nicht. Ich nicht, – niemand. Also konzentrier deine Beobachtung auf die große Masse, denen das egal ist. Die gilt es zu überzeugen. Im Gegensatz zu den Beobachtern, – machen diese blogger wenigstens etwas.
Es gibt nur eine Möglichkeit diese System zu sabotieren.
Ich weiß, hab ich schon einmal eingestellt, passt aber gerade gut…;-)
Nämlich durch passiven Widerstand: „Passiver Widerstand, ein paar Gedanken dazu.
Passiver Widerstand, ein paar Gedanken dazu.
Die Grundnahrungsmittel in der Umgebung kaufen, achtet auf „Faire Trade“, wie zum Beispiel bei der Teekampagne, in Berlin.
Kauft keine neuen Autos mehr, denn die alten sind meist viel billiger. Das ist mein Spezialgebiet, ihr könnt mir glauben, dass die neuen Autos allesamt eine hightech wegwerf Ware darstellen.
Glaubt nicht an den Quatsch von Abgasnormen, niedrigeren Co2 Ausstoß.
Das ist wie mit der Feinstaubplakette und vielen Anderem auch, eine absolute Verarschung.
Breitbandbildschirme, Handys, PC´s auch mal ein paar Jahre länger benutzen, viele technische Geräte braucht sowieso kein Mensch.
Keine Markenklamotten mehr, erteilt Gucci, Boss, und Armani eine klare Absage
Keine Aktien und Börsenspekulationen, nehmt nicht vorschnell Kredite auf, am besten ihr verzichtet ganz darauf.
Vergesst nicht, dass unser gesamtes System auf Kredite und unbegrenztes Wachstum aufgebaut ist.
Treibt wieder Tauschhandel wenn irgend möglich.
Das gleiche gilt für die Kreditkartenbenutzung, benutzt wieder Bargeld, das ist nicht zurück zu verfolgen.
Erteilt dem Konsum eine klare Absage!
So bekommt man dass System in die Knie.
Schaut mal nach, ob ihr wirklich all Eure Versicherungen überhaupt braucht, die ihr Euch in all den Jahren angeschafft habt.
Wenn die Menschen nur noch das kaufen würden, was sie wirklich benötigen, wird sich dieses System ganz schnell als ad acta bestätigen.
Ach, und holt euer Geld von der Bank, falls ihr noch Welches habt…;-)
Fazit: Die einzige Handlungsalternative sei „eine Kultur der Verweigerung“. Dies bedeute, „jede Mitverantwortung für ‚Marktwirtschaft und Demokratie‘ zu verweigern, nur noch ‚Dienst nach Vorschrift‘ zu machen und den kapitalistischen Betrieb zu sabotieren, wo immer das möglich ist“.
Dir gefällt vielleicht auch diese Liste.
das layout ist nicht mein geschmack
Meiner auch nicht. Und Ganja-George wäre die Entsprechung für Rotwein-Klaus, falls Du dein Blog so nennen würdest. Aber was will man machen, wenn man derlei Informationen nicht in der faz findet. Konzessionen liegen außerdem im Trend.
ich habe nur das erscheinungsbild gemeint. der inhalt ist informativ.
Ich kann den Link von „Rainer“ nicht einmal öffnen…?
Im übrigen ist mein Fazit, 1:1 von „Robert Kurz“ übernommen…
meinst du den link zu ganjageorge?
Was weiß den ich, wo der Link von „R@iner“ hinführt?
sorry, meinst du die worte >diese liste<. ich hatte das nur auf der adminseite gesehen, da steht:
http://ganjageorge.blog.de/2010/08/08/boykottliste-erste-nestle-9144998/
Keine Ahnung, aber das Ding möchte sich einfach nicht öffnen…?
Jetzt ging es, seltsamerweise…lächel..
Ist doch ein alter Hut, das Man(n)/Frau keine Nestlè Produkte kauft…oder?
p.s.: Natürlich weiß ich, dass Du dich über meine Wahl des Verbs lustig machst.
Das Problem ist, daß der Verbraucher es oft auch nicht weiß. Ich bin seit 2007 kein Kunde von Amazon, weil die mir mal ziemlich blöd kamen – und es tut es mir zugegeben nicht leid. Aber ich würde NUN den Account löschen, weil ich dieses Verhalten – noch dazu mit persönlichen Erfahrungen aus der Zeitarbeit gesegnet – nicht tolerieren will. Aral… ich habe damals auch woanders getankt, allerdings nicht bei Esso, die ich seit dem Unfall der Exxon Valdez meide. Jeder kann Fehler, auch gravierende Fehler machen – aber dann soll man auch dazu stehen und sich darum kümmern – und bezahlen!
Ich würde vermutlich noch weit mehr Firmen meiden außer denen auf meiner Hitliste, wenn ich nur die Verflechtungen besser kennen würde.Diese Liste beruht natürlich auf meinen persönlichen Befindlichkeiten, die für andere bedeutungslos sind oder sie schlicht nicht kümmern.
Shitstorms im Internet sind maßlos überbewertet und bleiben folgenlos. Mehr dazu gibt es hier: http://von-nullen-und-einsen.blogspot.de/2013/02/amazon-kein-schaden-durch-ard-leiharbeiter-shitstorm-datengestutzter-zynismus.html
Sehr schön auch das Beispiel Wiesenhof, die nach gleich mehreren Skandalen sogar noch ihren Gewinn steigern konnten. Die Aufregung wird sich auch bei Amazon legen, es wird ja jetzt schon als Sieg verkauft, dass die ihre Zusammenarbeit mit der Sicherheitsfirma gekündigt haben, während die schlechten Arbeitsbedingungen nicht mehr im Fokus der Berichterstattung stehen. Amazon und seine vergraulten Kunden – das ist wie bei einem Säufer, der seiner verprügelten Frau hinterherruft: „Hau nur ab und heul dich aus, du kommst schon wieder zurück.“ Genau so wird es sein, sie werden wieder zurückkommen.
Strategischer Konsum ist eine Lachnummer, eine Beruhigung des Gewissens. Dem einzelnen vernünftigen Konsumenten steht eine überwältigende Mehrheit gegenüber, die beim Einkauf gänzlich gewissensbefreit zugreift, sei es aus Gedankenlosigkeit, Unwissenheit oder Ignoranz. Theoretisch stehen den Menschen alle nötigen Informationen zur Verfügung, um rationale Entscheidungen zu treffen. Im Internet gibt es kritische Verbraucherportale, die Buchläden sind voll mit Büchern, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Mißstände anprangern und dennoch wählen so viele den Weg des geringsten Widerstands.
Menschliches Zusammenleben funktioniert nun einmal nur nach bestimmten Spielregeln. Wenn der Staat bestimmte Rahmenbedingungen setzt, entbindet das noch lange niemanden gänzlich von persönlicher Verantwortung, noch handelt es sich da um willkürlichen Akt eines leviathansgleichen Monsters, denn, so abgedroschen das auch klingen mag, der Staat – das sind wir alle. Wenn das Bevormundung ist, ziehe ich das gerne einem freien Markt vor, der weder Menschwürde noch Rücksicht kennt.
„Es gibt kein richtiges Einkaufen im falschen Wirtschaftssystem.“
Sehr schöner Satz. Der bringt alles auf den Punkt!
@Alle
Schön´ Gruß an alle hier versammelten Laberköpp;-)
Juri
danke gleichfalls
@Klausbaum
Das einzige, was die Wahrheit ist: Immer konkret.
Google enteignen. Amazon enteignen. Facebook enteignen. Undundund.
Gruß Juri
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