Ich beziehe mich mehr oder weniger auf das, was mir beim Hören und Lesen noch im Gedächtnis geblieben ist. Über Frau Honecker hieß, sie zeige noch immer kein Begreifen, wie die Realität in der DDR tatsächlich gewesen ist. Das Stichwort lautet: therapieresistenter Realitätsverlust.

Nun lese ich heute Morgen bei Zeitgeistlos ein kleines Artikelchen über Realitätsverleugnung. Gemeint sind darin aber nicht unbelehrbare Diktatoren der DDR, sondern die marktradikalen Anhänger des Neoliberalismus.

Ich dachte, als ich die Kritik an Margot Honecker las, dass eben wieder jene ihr Realitätsverleugnung vorwerfen, die im Verleugnen der Realität nicht besser sind als ihre Feinbilder: Ich dachte da unter anderem an Frau von der Leyen und an alle aus dem neoliberalen Lager, die sich durch menschliche Kälte, durch die Absenz von Empathie und Mitgefühl auszeichnen. Die Verleugner der Wirkzusammenhänge im Neoliberalismus sind Legion und um keinen Deut besser als Margot Honecker.

Einen Schritt weiter wollte Viktor Orban gehen. Bei ihm ging es nicht ums Verleugnen, sondern darum, Herrschaft unangreifbar zu machen, was auch immer die Herrschenden tun. Pal Schmitt ist hinsichtlich seines Doktortitels und seiner Dissertation des Betrugs überführt worden. Ungarns Präsident Schmitt trat zurück. Orban aber wollte ihn per Dekret in einen päpstlichen Stand versetzen, in den Stand der Unangreifbarkeit.

Politiker ernennen sich selbst zu Göttern, die über dem Gesetz stehen. Politiker haben die Tendenz, zu machen, was immer sie wollen. Als Beleg seien nur zwei Beispiele genannt: Döring von der FDP sprach von der Tyrannei der Masse, und Frau Merkel wollte einen Insider-Club gründen, der über riesige Finanzmengen entscheiden sollte, ohne Öffentlichkeit und ohne das Parlament zu befragen.

Valentin Vogt ist der neue Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes. Sein Vorgänger ließ mich letztes Jahr im August noch aufhorchen. Ich schrieb damals:

>>In der Neuen Zürcher Zeitung war zu lesen, dass die Schweizer Regierung die Absicht habe, der Schweizer Wirtschaft finanziell unter die Arme zu greifen, dergestalt, dass man den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung den Arbeitgebern erlassen wollte. Was nun für Deutschland, dem Land der ausbeuterischen Menschenverachtung undenkbar wäre, geschah in der Schweiz: Der dortige Arbeitgeberpräsident lehnte das Angebot der Regierung ab und sagte: Die Regierung solle lieber vereinzelt Unternehmen helfen, die wirklich bedürftig wären, aber insgesamt ginge es der Schweizer Wirtschaft so gut, dass man die Abschaffung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung nicht nötig hätte.

So zu denken, wäre in Bezug auf DieterHundt völlig undenkbar. Möglicherweise liegt’s am Faschismus-Gen der Deutschen. Inhumanität erbt sich eben fort.<<

Mit Herrn Vogt hat die Schweiz nun auch einen Hundt als obersten Vertreter der Arbeitgeber, denn Herr Vogt ist der Meinung, es bedürfe keines Mindestlohns, denn nirgend steht geschrieben, dass ein Mensch von seiner Arbeit, von seinem Lohn auch leben können muss.

http://www.blick.ch/news/wirtschaft/nicht-jeder-lohn-kann-fuer-eine-familie-existenzsichernd-sein-id1832585.html

Nun noch ein Wort zu Dirk Schwarze, der in politisch interessierten Kreisen in dieser Republik  über den Kasseler Raum hinaus kaum bekannt sein dürfte. Am Montag stand in der Regional-Zeitung HNA ein halbseidiger Artikel über den ehemaligen, langjährigen Leiter des Feuilletons. Schwarze wird dieser Tage 70. Während sein Vorgänger Lothar Orzechowski sich durch analytische Schärfe auszeichnete (nachvollziehen kann man das noch anhand eines Artikels, der als Nachdruck im Materialienband zur documenta 8 erschienen ist, hrsg. von Stehr und Kirschenmann), während also Orzechowski durch analytische Schärfe positiv auffiel, war und ist Schwarze das genaue Gegenteil. Seine Denkkraft ist so schlaff wie sein Händedruck.

Die documenta GmbH, vermutlich in Gestalt des Geschäftsführers Leifeld und der documenta-Leiterin Christov-Bakargiev hat Herrn Schwarze zu ihrem Tutor ernannt. Unwiderstehlich drängte sich mir beim Lesen dieser Nachricht das folgende Zitat Hegels auf:

>>An dem, woran dem Geist genügt, ist die Größe seines Verlustes zu ermessen.<<

Mit Geist sei hier der von Leifeld und Bakargiev gemeint.