Eine kurze Vorbemerkung von mir zu dem Vortrag von Ingo Schulze über Wasser:
Wenn ich mich recht erinnere, hat Ernst Otte mir vor einiger Zeit über Rousseau unter anderem geschrieben, dass dieser den Sündenfall der bürgerlichen Gesellschaft darin sieht, Land zum Privateigentum zu erklären. Da ich seinen Text im Moment nicht finden kann, möchte ich mir mit einigen Zitaten behelfen, die sich auf wikipedia finden lassen.*
Aneignung von Land, das dürfte fast jeder auf Chaplins Film Goldrausch kennen. Die Goldsucher zogen in die Berge, steckten sich einen Claim ab, nannten das Stück Land ihr eigen und fingen an, nach Gold zu schürfen, das, sofern sie welches fanden, ihnen gehörte, weil sie es auf ihrem Grund und Boden fanden.
To claim hat viele Bedeutungen, aber eine davon ist, etwas als Eigentum zu beanspruchen, als Eigenes. Dieses „to claim“ war das markanteste Merkmal des Kolonialismus. Vor allem die Europäer fielen über fremde Länder her und beanspruchten dort die Herrschaft und das Eigentumsrecht. Diese Aneignung dessen, was einem nicht gehört, was vielleicht niemandem gehört, weil es allen gehört (im Falle der afrikanischen Länder war das Land Eigentum der Einheimischen), diese Aneignung sucht sich immer weitere Claims: eines der Beuteobjekte ist Wasser, ein anderes Saatgut. Man könnte sagen, nachdem das Land verteilt ist, nachdem es nichts mehr zu erbeuten gibt, außer den Planeten und Sternen im Weltall, strebt man danach, die Natur, die natürlichen Ressourcen, die der Mensch zum Leben benötigt, aufgrund der wirtschaftlichen Macht, über die man verfügt, sich anzueignen, sie zum Privateigentum zu erklären – und Wasser und Saatgut so teuer wie möglich zu verkaufen ….
Die historische Dynamik heißt: Was können wir noch in Privateigentum verwandeln und womit können wir die Mehrheit der Menschen von uns abhängig machen …
Politik, die diesen Triebkräften nichts entgegenzusetzen hat, die sich zu diesen unseligen Privatisierungen hinreißen lässt, hat den Namen der Politik nicht verdient …..
Rede von Schriftsteller Ingo Schulze bei der 171. Montagsdemo gegen Stuttgart 21 am 6.5.2013 auf dem Stuttgarter Marktplatz
Was zum Teufel ist Wasser?
Ich danke Ihnen für die Möglichkeit, hier sprechen zu dürfen. Ich möchte Ihnen eine kurze Geschichte vorlesen, die ich in einer Rede von David Foster Wallace gefunden habe. Die Geschichte geht so: »Schwimmen zwei junge Fische des Weges und treffen zufällig einen älteren Fisch, der in die Gegenrichtung unterwegs ist. Er nickt ihnen zu und sagt: »Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?« Die zwei jungen Fische schwimmen eine Weile weiter, und schließlich wirft der eine dem anderen einen Blick zu und sagt: »Was zum Teufel ist Wasser?«
»Was zum Teufel ist Wasser?« ist eine Frage, die Ihnen womöglich vom Tenor her bekannt vorkommt. Was Tag für Tag verkündet und praktiziert wird, was alltäglich, was selbstverständlich ist, wird als gegeben und unveränderlich wahrgenommen, als alternativlos.
Ich habe das Glück, schon einmal miterlebt zu haben, dass sich die Welt von Grund auf verändern lässt, und dass dies, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, friedlich und ohne Blutvergießen möglich war. Sie haben hier Gewalt erlebt, die es an Brutalität mit den Knüppeleien mancher DDR-Polizeieinheiten im September und Anfang Oktober ’89 durchaus aufnehmen kann. Ein Unterschied zu damals ist, dass Sie keine Angst vor einer chinesischen Lösung haben müssen, vor der wir uns im Herbst ’89 fürchteten. Trotz dieser Angst war die Atmosphäre in Leipzig am Montagabend heiter. Es war die Freude darüber, dass sich so viele, die einander nicht kannten, zusammenfanden und etwas riskierten. Auf Transparenten und in Sprechchören entfaltete sich ein Sprachwitz, der eine Freiheit praktizierte, die es erst noch zu erobern galt.
Für mich sind die Erfahrungen des Herbstes von 1989 als Ermutigung wichtig. Andererseits wurde vieles, das damals als gesellschaftliche Alternative entstand, zum Beispiel, dass in Betrieben, Instituten, an Schulen und Universitäten die Leiter und Direktoren von den Beschäftigten selbst gewählt werden konnten, nach der Währungsunion und dem Beitritt wieder rückgängig gemacht. Der Umbruch, der Weltenwechsel von 1989/1990 ist aber auch deshalb so wichtig, weil er zur Geburtsstunde unserer heutigen Welt wurde. Denn der Schein, im Westen habe sich damals nichts verändert, trügt. Deutschland hat die Chance einer Vereinigung vertan. Hätte es eine Vereinigung gegeben und nicht nur einen Beitritt des Ostens zum Westen, dann hätte auch der Westen die Chance gehabt, sich selbst zu überprüfen und zu verändern. Da dies nicht geschah und sich statt dessen eine Sieger- Mentalität breit machte, verlor die neue Bundesrepublik viel von ihrer demokratischen und sozialen Kultur.
Ich habe es an mir selbst erlebt: Eben noch hoch politisiert, war ich plötzlich wie paralysiert durch Währungsunion, Beitritt und Kohl-Regierung. Lange Zeit glaubte ich dann tatsächlich, aus einer Welt, die aus Worten bestand, in eine Welt gekommen zu sein, in der nur Zahlen zählen, als seien alle Zwänge Sachzwänge. Man kann es durchaus paradox nennen. Mit dem Untergang der poststalinistischen Herrschaftsformen, wurde zugleich der Sozialismus entsorgt. Es gab nur noch die Vorstellung vom Status quo, wir waren in der besten aller möglichen Welten angekommen. Mit dem Verschwinden von gesellschaftlichen Alternativen ging das Bewusstsein für politische Souveränität verloren. Der Markt würde schon alles zum Besten der Menschheit regeln. Kaum jemand stellte noch die Frage, ob all die Privatisierungen, Deregulierungen, Wirtschafts- und Finanzunionen gut oder schlecht für unser Gemeinwesen sind, wer daran verdient und wer es bezahlt. Solche banalen Fragen galten als unfein oder wurden nur von jenen gestellt, die unverzeihlich dumm waren oder für kein Amt taugten oder noch nicht im Westen angekommen waren. Wir bewegten uns auf einen Zustand zu, in der die Mehrheit voller Überzeugung fragte: Was zum Teufel ist Wasser? Was zum Teufel ist Ausbeutung? Was zum Teufel kümmert mich der Profit der anderen, wenn ich selbst dabei reich werde?
Die Rede von Ingo Schulze geht hier weiter:
https://klausbaum.wordpress.com/philosophische-notizen/was-zum-teufel-ist-wasser/
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* Zu Rousseau – Übernahme von wikipedia:
Für den Verlust von Freiheit und Autonomie sieht Rousseau die Einführung des Privateigentums als Ursache:
„… da die Menschen außerdem begannen, ihre Blicke in die Zukunft zu richten, und alle sahen, dass sie einige Güter zu verlieren hatten, gab es niemanden, der die Repressalie für das Unrecht, das er einem anderen zufügen konnte, nicht für sich selbst zu fürchten hatte. Dieser Ursprung ist umso natürlicher, als es unmöglich ist zu begreifen, wie die Vorstellung des Eigentums aus etwas anderem als der Handarbeit entstehen könnte; denn man vermag nicht zu sehen, was der Mensch beisteuern kann, um sich die Dinge anzueignen, die er nicht geschaffen hat, außer seiner Arbeit. Allein die Arbeit, die dem Bauern ein Recht auf das Produkt des Feldes gibt, das er bestellt hat, gibt ihm folglich ein Recht auf den Boden, zumindest bis zur Ernte, und so von Jahr zu Jahr – was, da es einen ununterbrochenen Besitz schafft, sich leicht in Eigentum verwandelt… (Es zeigt sich), dass die Aufteilung des Grund und Boden eine neue Art von Recht hervorgebracht hat. Das heißt, das Eigentumsrecht, das von dem Recht, welches aus dem natürlichen Gesetz resultiert, verschieden ist.“[25]
Die Wurzel der Entstehung des Eigentums sieht Rousseau in der Entstehung der Landwirtschaft:
„Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen »Dies gehört mir« und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: »Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen, aber die Erde niemandem gehört.“[26]
und:
„Aus der Bebauung des Grund und Bodens folgte notwendigerweise seine Aufteilung und aus dem Eigentum, war es einmal anerkannt, die ersten Regeln der Gerechtigkeit. Denn um jedem das Seine zu geben, muss jeder etwas haben können.“[25]
Das Entstehen des Eigentums, meint Rousseau, spaltet also die Menschheit in Klassen. Das Eigentum offenbart sich als die Ursache des gesamten gesellschaftlichen Unglücks. Über die Entstehung eines „alles verschlingenden Ehrgeizes“,„künstlicher Leidenschaften“ und die „Sucht, sein Glück auf Kosten anderer“ zu machen, schreibt er:
„… alle diese Übel sind die erste Wirkung des Eigentums und das untrennbare Gefolge der entstehenden Ungleichheit.“
Was können wir noch in Privateigentum verwandeln und womit können wir die Mehrheit der Menschen von uns abhängig machen
Die Frage, sie beeinhaltet bereits die Antwort.
Nur weil es bestimmte „Schlüsselressourcen“ gibt, die man im Allgemeinbesitz belassen und nicht privatisieren sollte, muss man nicht gleich übertreiben und den Prviatbesitz komplett verbieten. Zudem gibt es heute noch Allmenden in Deutschland und in der Schweiz.
Es kommt ja auch (fast) niemandem in den Sinn den Markt abzuschaffen, nur weil es Marktteilnehmer gibt, die sich unmoralisch verhalten…
Nur weil man nicht fähig ist, sich einfach mal berechtigter Kritik anzuschließen, muss man nicht gleich übertreiben und Aussagen oktroyieren, welche nirgendwo hier stehen.
Aber man darf sich Gedanken über die Schweiz und Deutschland
hinaus machen.
werter herr karl, von totaler verneinung von besitz hat doch keiner gesprochen
Brav gelernt. Nicht der Markt ist das Problem sondern nur ein paar unmoralische Teilnehmer.
Mir macht es jedoch den Anschein, dass der Markt langfristig seine Teilnehmer dazu zwingt unmoralisch zu handeln. Sonst gehen sie nämlich im Wettbewerb unter.
Öhmm, – sorry. Das muss nicht nur scheinen, – das ist sogar so. Und die Langfristigkeit war gestern. Die sind schon so im Wettbewerb untergegangen, dass die das gar nicht mehr mit kriegen und für normal halten. Das ist doch das Problem. Es geht gar nicht mehr ums zu Ende denken, das haut offensichtlich sowieso nicht hin, – sondern überhaupt mal einen Status ehrlich zu rekapitulieren, – ohne gleich mit der Affektschleuder zu kommen.
genau
http://www.parkschuetzer.de/statements/155404.
Unter diesem Link ist die Rede als YouTube Video zu sehen.
„Dennoch betrachtet er [Rousseau] das Eigentum als „das heiligste von allen Bürgerrechten, in gewissen Beziehungen noch wichtiger als die Freiheit selbst […], weil das Eigentum die wahre Begründung der menschlichen Gesellschaft und der wahre Garant der Verpflichtung der Bürger ist.“[22]“
(Wikipedia, Eigentum, Frühe Neuzeit)
@karl, die argumentationsrichtung zielt nicht auf die abschaffung jeglichen eigentums, sondern auf die entgrenzte aneignung und die damit angestrebte verfügungsmacht über elementare lebensmittel. es geht nicht gegen eigentum, sondern um seine instrumentalisierung zum zwecke des profits. ich höre gerade DLF, über die jesuiten in lasteinamerika, über die reductiones und darüber, dass man sich menschen angeeignet hat, dass man sich menschen zum eigentum gemacht hat, um sie als sklaven zu verkaufen …. der mensch als eigentum des menschen …
Wasser und Boden, zwei Phänomene, die das Kapital nicht unangetastet lassen kann. Während der Boden schon lange verteilt ist und die Diskussionen darüber zum Verstummen gekommen sind, hat Wasser noch Potenzial, wie man sagt. Bodenreformen, die Besitzfrage, war in den Zwanziger Jahren eine diskutierte, auch in den Sechzigern noch. Das Bewusstsein dafür ist heute verschwunden. Wenn man sich die Zusammenhänge zu steigenden Mieten derzeit anschaut, müsste das viel offensiver diskutiert werden.
Ich habe Schulzes Buch von den Kleidern des neuen Kaisers gelesen: Gut, wenn auch für meine Begriffe nicht radikal genug. Man sollte in diesen Zusammenhängen schon den Begriff der Enteignung gebrauchen.
Privatisierung und privatrechtliche Aneignung machen nicht bei Wasser, Boden und vielleicht sogar Luft halt. Weltweit agierende Konzerne sind auf der Suche nach neu erschließbaren Profitquellen schon viel weiter:
„Das Europäische Patentamt hat seit 1999 etwa 900 Patente auf Tiere und etwa 1.800 Patente auf Pflanzen erteilt. Die diesen Entscheidungen zugrunde liegende Richtlinie „Rechtlicher Schutz Biotechnologischer Erfindungen“ (Dir. 98/44 EC) zielt darauf ab, Erfindungen als geistiges Eigentum zu schützen. Als „Erfindung“ wurde für Biotechnologie-Konzerne bisher vor allem die Forschung mit gentechnisch veränderten Organismen gewertet. In den vergangenen Jahren wurden aber immer häufiger auch Patente auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Zucht angemeldet. Biotechnologie- und Tiergenetik-Konzerne entschlüsseln das Genom von Pflanzen und Tieren, identifizieren den genetischen Code für besonders günstige Eigenschaften und erklären die Pflanzen und Tiere über Patente zu ihrem Eigentum. Dies ist eine alarmierende Entwicklung, da die konventionelle Zucht (ohne gentechnische Veränderungen) bisher als nicht patentierbar galt. In vielen Fällen erstrecken sich diese Patente auf die gesamte Kette der Lebensmittelerzeugung.“
global 2000, 11.10.2012
erschreckend, gruselig, finster
http://www.neopresse.com/gesellschaft/georg-schramm-im-interview-gegen-jauch-wurde-ich-zur-bundesprasidentenwahl-antreten/
Bevor es in der Versenkung verschwindet.
Wunderbares Interview mit Georg Schramm,ausführlich und informativ.
http://www.welt.de/wirtschaft/article116031822/Welt-Autorin-steht-fuer-die-Marktwirtschaft-ein.html
Nicht unbedingt passend,oder doch?
Eine der schlimmsten Hetzerinnen,die speit und giftet gegen alles,was nicht in ihr verzerrtes Weltbild passt.Andere hätten längst eine Klage wegen Volksverhetzung,Beleidigung oder Diskriminierung am Hals.
Die darf das,manche sind eben gleicher als gleich.
Widerlich,und das ist noch vornehm ausgedrückt.
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