Weiß jemand, wo das folgende Zitat bei Adorno steht?
>>Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr des Faschisten in der Maske des Faschisten, sondern vor dessen Rückkehr in der Maske des Demokraten.<<
….
>>Aufgewachsen ist Theodor Wiesengrund Adorno in derselben Straße, in der Arthur Schopenhauer lange lebte: der Schönen Aussicht. Sein Geburtshaus stand in der Nr. 9, in der Schönen Aussicht 7 betrieb sein Vater eine Weinhandlung. Die Eltern des Einzelkinds Theodor („Teddie“) waren der Weingroßhändler Oscar Alexander Wiesengrund (1870–1946), der aus einer jüdischen Familie stammte, später zum Protestantismus übertrat und die katholische Sängerin Maria Barbara, geb. Calvelli-Adorno (1865–1952), heiratete.
Ein engeres Verhältnis zum Judentum seiner väterlichen Vorfahren gewann er erst unter dem Eindruck der Shoah, wohl auch beeinflusst durch seine späte Freundschaft mit Gershom Scholem. Aus dem Doppelnamen seiner Mutter wählte er später als Hauptnamen Adorno, während das „Wiesengrund“ des Vaters in der Emigration zu „W.“ verkürzt wurde. Schon vor 1933 nannte er sich Wiesengrund-Adorno.<<
(Quelle: wikipedia)
PS. einen Tag später: Das Zitat taucht vielfach im Internet auf. Ich bezweifle, daß es von Adorno stammt, denn ein Faschist in der Maske eines Faschisten ist eine Tautologie. Warum sollte ein Wolf die Maske eines Wolfes anlegen. Sinn macht es doch nur, wenn er seine Identität versteckt, zum Beispiel in einem Schafspelz.
Worum es mir aber zu tun ist, ist die Frage: Was wäre, wenn ein Mensch jüdischer Abstammung Vergleiche zwischen gesellschaftlichen Zustände heute und denen des 3. Reiches zöge?
Ich habe dieses Zitat selbst vor einiger Zeit benutzt und auch da nach dem Ursprung gesucht. Gefunden habe auch ich nichts. Dennoch bin ich, anders als Du, der Ansicht, dass es von Adorno selbst stammt. Freilich ist der Faschist in der Maske des Faschisten eine Tautologie, die zunächst wenig sinnvoll erscheint – aber was Adorno damit sagen will ist: Wenn der neue Faschismus so offensichtlich menschenverachtend ist, wie jener, der bis 1945 real war, dann muß man davor weniger Angst haben, als vor einem Faschismus, der sich hinter schönen Worten und vernünftelnder Menschenliebe versteckt. Die erste Variante ist offensichtlich und daher leicht zu bekämpfen – die zweite ist arglistig und oft erst zu spät erkennbar.
Dieses Zitat trifft meines Erachtens den Wesenskern unserer Zeit: Wir bezeichnen das Dritte Reich zurecht als Faschismus, mahnen den dortigen Totalitarismus an und das Ermorden von Millionen Menschen. Die heutige Form, die wir nicht Faschismus nennen, kennt einen Totalitarismus des Marktes, einen Totalitarismus der Verwurstung menschlicher Arbeitskraft, einen Totalitarismus des „Arbeit, Arbeit über alles“ und der gleichen Totalitarismen mehr, die alle in eine Richtung zielen. Auch kennen wir das Ermorden von Millionen: Unsere westliche Gesellschaft suhlt sich in Wohlstand – in der Dritten Welt wird millionenfach gestorben und – sagen wir es so wie es ist – in hundserbärmlichen Zuständen verreckt. Trägt der neue Faschismus nicht etwa die Maske des Demokraten? Ganz anders als der Faschismus einst, der eben die Maske des Faschisten trug, sich also so gab, wie er war?
Zum vermeintlichen Zitat:
In der digitalen Version der Gesammelten Schriften ist über die Wort/Ausdrucks – Suchfunktion auch nichts zu finden – faszinierend oder bedenklich ist das Scheitern des allzu üblichen Wegs – Google ist verstopft sozusagen, das Ersatzhirn wiederholt „hilflos“ das vermeintliche Zitat, Adorno schrieb, Adorno sagte etc.
Zur Frage:
Vermutlich würde ein solcher Vergleich mit wohlfeiler Betroffenheit in die Paranoia-Quarantäne verschoben. Was wäre, wenn
Hans-Werner Sinn ein Mensch jüdischer Abstammung wäre – aber das ist mir eine Drehung zuviel.
Der Offene Brief Sinns [http://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/ifoHome/e-pr/e1pz/90Stellungnahmen/_Stellungnahme?item_link=ifopm-27102008.htmist] bietet Blicke in den Abgrund:
„Ich habe das Schicksal der Juden nach 1933 in keiner Weise mit der heutigen Situation der Manager vergleichen wollen. Ein solcher Vergleich wäre absurd.“ heißt es im ersten Absatz, „Ich bitte die jüdische Gemeinde um Entschuldigung und nehme den Vergleich zurück.“ im zweiten. War es jetzt als Vergleich gedacht oder nicht? Üblicherweise werden in solchen „Entschuldigungen“ „Äußerungen“ zurück genommen, damit hätte Sinn auch nachgewiesen, dass er nicht einfach „absurde Vergleiche“ anstellt – was er somit aber noch einmal schriftlich bestätigt hat. „Mir ging es allein darum, Verständnis dafür zu wecken, dass die wirklichen Ursachen weltwirtschaftlicher Krisen Systemfehler sind, die aufgedeckt und beseitigt werden müssen. Die Suche nach vermeintlichen Schuldigen führt stets in die Irre.“ Der Rückzug auf den Systemfehler ändert nichts daran, dass es einen Unterschied zwischen Sündenböcken, vermeintlich Schuldigen und Verantwortlichen gibt. Dem zaghaften Versuch der Verständniserweckung läßt sich nur mit schallendem Gelächter begegnen.
Das Problem bei solchen sogenannten Entgleisungen und den Reaktionen darauf ist das Verbleiben an der Oberfläche: Lediglich eine Art Ping-Pong im Rauschen der „öffentlichen Meinung“, versickert die wirkliche oder vermeintliche Empörung nach einigen Tagen.
Und: Es sind keine Entgleisungen. Ich erinnere mich an einen Fernsehauftritt von Hans-Olaf Henkel, Thema der Diskussion war (u.a.) der Anspruch auf Sicherung der Grundbedürfnisse. Henkel entglitten die Gesichtszüge beinahe, er äußerte, ihm sei die Vorstellung eines solchen voraussetzungslosen Anspruches für alle Menschen „zuwider“ (wörtlich). Niemand der Anwesenden reagierte, man erging sich – in Systemfehlerdiskussionen.
7 Jahre und immer noch keine Antwort?? Ich glaub aber immer noch nicht, daß es von ihm ist
@lowman, ich auch nicht, denn adorno war so präzise in seiner wortwahl, dass er meines erachtens, nicht die tautologie „der faschist in der maske des faschisten“ verwendet hätte.
siehe aber in den anmerkungen das statement von roberto j. de lapuente
Hallo, ich hab mich auch auf die Suche gemacht und etwas gefunden: Adorno hat 1959 (im Rundfunk) geäußert, dass er nicht die Wiederkehr des Faschismus als Schlägerbande fürchte, die nach SA-Manier das Volk aufmische, sondern er fürchte die Wiederkehr des Faschismus als Demokratie.
Viele Grüsse
Sabine
liebe sabine, danke für den hinweis. so, wie du es schilderst, klingt es plausibel. die formulierung „in der maske des faschisten“ gefällt mir gar nicht, weil es eine verdoppelung wäre. ein faschist kann sich als demokrat tarnen, aber nicht als faschist, sofern er einer ist.
Bin per Zufall hier gelandet weil ich nach Adorno und Faschismus gegoogelt habe, nachdem ich gerade in „Die autoritäre Revolte“ von Volker Weiß drüber gestolpert bin. Zitat dort: „Das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie“ sei „potentiell bedrohlicher denn das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie“. Als Quelle ist angegeben: „Adorno, Eingriffe. Neun kritische Modelle“, S.125f.
Falls noch relevant 😉
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