Die große Tageszeitung für Kassel, ihr Name lautet abgekürzt HNA, berichtet heute über einen Schock, den die documenta-Leiterin erlitten hat. Der Schock bestand darin, dass sie hoch oben im Turm der Elisabeth-Kirche eine Skulptur erblickte, die auf einer goldenen Kugel stand. Die Kugel erinnert an das Märchen vom Froschkönig und die Skulptur an den Bruder von Bernhard Balkenhol, unseren Kunstvereinsleiter.

Der Turm der Kirche ist an seinem oberen Ende nach vier Seiten, das heißt nach allen vier Himmelsrichtungen hin offen, sein „Dach“ wird gleichsam von vier „Säulen“ getragen. Auf dem Dach glänzt ein goldfarbenes Kreuz, das mit der Balkenhol-Figur insofern korrespondiert, als diese ihre Arme im rechten Winkel ausgebreitet hat, das heißt, die Figur wiederholt die Kreuzesform.

Als ich heute Morgen vom Kummer der Frau Barkargiev las und ihrer großen Aufregung, dachte ich mir, dieser Balkenhol (Bernhards Bruder) muss auf der Kirche wohl einen Riesen aufgestellt haben, der so gegen 11 Uhr am Vormittag einen diagonalen Riesenschatten über den Friedrichsplatz wirft. Ich habe mich heute Nachmittag an den Ort des Schreckens, des Erschreckens begeben, und bin, aus südlicher Richtung kommend, vom Weinberg her die Frankfurter Straße Richtung Kirche gelaufen. Die Figur von Balkenhol wirkte auf die Distanz dezent, eher klein und unscheinbar – und unauffällig, so dass ich sofort an Shakespeares Play „Much ado about nothing“ denken musste.

In der HNA war zu lesen, eine menschengestaltige Skulptur störe das Konzept der documenta-Leiterin, auf dem Friedrichsplatz, also vor dem Fridericianum und vor dem Staatstheater, nur menschenlose Öko-Themen zu realisieren. Folgte aber Frau Bakargiev ihrem Konzept konsequent, müsste sie die Menschenfiguren über dem Säulen-Portal des Museums Fridericianum absägen lassen. Und die Figuren der Fremden auf dem Roten Palais von Schütte, die müssten ebenfalls verschwinden.

Das Ärgerliche an der Skulptur von Balkenhol, die zu sagen scheint, seid umschlungen Millionen, das Ärgerliche ist, sie befindet sich gleichsam intra muros. Will Frau Bakargiev der Kirche verbieten lassen, was sie innerhalb ihrer Mauern ausstellt?

http://www.hna.de/documenta-13/documenta-leiterin-schockiert-ueber-skulptur-turm-elisabeth-2309812.html

Ach ja, ein PS. sollte ich nicht vergessen: Ich habe in der Aufbau-Phase der documenta 8, im Frühjahr  1987, als Assistent für George Trakas gearbeitet und erlebt, wie er sich um die Gestaltung des Königsplatzes bemühte. Es ging damals nicht nur um die Aufstellung einer Skulptur, sondern um die Installation eines ganzen Ensembles von Skulpturen, einschließlich zweier Brücken über der Oberleitung der Straßenbahn.

Frank Barth, der damalige Aufbau-Leiter, hatte dann aus kommerziellen Gründen das Aufstellen von Würstchen-Buden genehmigt, also eine Plastik-Besteck- und Papptellerkultur, die Trakas als massiven Eingriff in seine Gestaltungsabsichten empfand, so dass er eine Woche vor Ausstellungsbeginn spurlos verschwand und seine Arbeit nicht beendete.

Man könnte, vergleicht man beide Ereignisse miteinander, fälschlicherweise schließen, die documenta-Leitung hat immer recht und handelt dem zufolge willkürlich. Man sollte auch nicht vergessen, dass der Ex-Ministerpräsident von Hessen, Roland Koch, in seiner Rede zum 50sten der documenta die nahezu uneingeschränkte Gestaltungsmacht der documenta-LeiterInnen für sich auch in der Politik wünschte.

Wer bei gooogle Museum Fridericianum Kassel eingibt, findet eine Menge Bilder, auf denen die anthropomorphen Skulpturen über dem Portal des Museums zu sehen sind. Ein Beispiel ist dieses:

http://www.fridericianum-kassel.de/

oder dieses (Click to enlarge):

Hier ein Foto von 1992. Schüttes Skulpturen auf dem Säulenportal vom Roten Palais. Einige Figuren stehen noch heute. (Eben war ich im Begriffe, einen Freudschen Vertipper zu begehen: Einige Figuren stör…. Ich habe es aber rechtzeitig noch korrigiert.):

Bernd Leifeld, der stets umtriebige Geschäftsführer der documenta GmbH (Abkürzung), sagte laut HNA am Mittwoch, den 9. Mai 2012: >>die documenta werde am Friedrichsplatz durch diese nicht abgesprochene Figur des Künstlers Stephan Balkenhol dominiert.<<

Wie war das noch in jener Fabel vom Wolf und vom Lamm? Der Wolf trinkt am Fluss oberhalb und das Lamm unterhalb der Fließrichtung des Wassers. Der Wolf behauptet, das Lamm verschmutze ihm sein Wasser.

Die Figur im Turm der Kirche ist viel zu filigran, um zu dominieren.