Zwei meiner Freunde fanden heute einen Artikel von Sascha Lobo lesenswert:
„Ich dachte, wir wären weiter“
Zur gleichen Zeit wird auf den einschlägigen Facebook-Seiten wie Pegida oder anderen rechten Gruppierungen der Brandanschlag in Tröglitz kommentiert. Ein nicht enden wollendes Endsatz-Festival. „Scheiß Asylbetrüger“ und „Dreckspack“ sind bloß die Beleidigungen, die ungelöscht stehen bleiben. Bedauern, dass zum Zeitpunkt des Feuers noch keine Flüchtlinge im Heim waren, 120 Likes. Dieser Hass, dieser unfassbare Hass. In Dimensionen, die frühere Hasswellen klein erscheinen lassen. Wir Internet-People haben jahrelang gefordert, dass endlich alle ins Netz kommen sollen. Aber jetzt sind sie da.
Ernst-August schrieb:
>>Sascha Lobo spricht über „Endsätze“, ein Wort, das ich mir merken will.<<
>>Es ist ziemlich lange her. Ich verteile an einem Samstag Flugblätter in einer Fußgängerzone – Thema: Bleiberecht für Flüchtlinge. Da kommt ein gut gekleideter älterer Herr auf mich zu und sagt plötzlich einen Endsatz (sh. Sascha Lobo). Er lautet: „Die Ausländer könnte ich alle verbrennen“. Ich reagiere zufällig mal geistesgegenwärtig und sage zu ihm: „Sie haben gerade etwas Schlimmes über sich selbst gesagt, aber nichts über ‚Ausländer‘.“<<
An manchen Tagen kann ich nichts mehr essen, weil ich es wegen solcher
Nachrichten erbrechen müsste …
You do´nt have to sleep to see nightmares … (Anne Clark: Song for A Postnuclear Romance)
Seitdem:http://twitpic.com/9pb6r ist der Lobo bei mir durch… geht gar nicht sowas… 😦
ich mag den lobo auch nicht. aber nichtsdestotrotz habe ich auf seinen aktuellen artikel hingewiesen.
Lobo hat mich bisher auch nicht groß interessiert (ist zur Kommerzhure geworden), aber da schreibt er mal etwas, was ich größtenteils unterschreiben kann. Die Anonymität des Netzes (Nicknames und „Likes“) führt dazu, dass immer mehr sagen und schreiben, was sie wirklich denken.
Dazu passt auch die Forderung, dass das deutsche Volk endlich aus dem Schatten von Adolf Hitler treten müßte. Sandra Maischberger präsentierte am Ende ihrer letzten Sendung zum Thema „Deutsche Opfer“ noch das Ergebnis einer Umfrage, nach der sich achtzig Prozent der Deutschen nach einem Schlussstrich sehnten.
Der rassistische Konsens schlägt stattdessen meines Erachtens mehr und mehr um in einen Vernichtungswillen.
Ich ergänze den Textvorspann von Klaus um ein Video über die nette Nachbarin von nebenan:
Für die dominierenden vier Buchstaben im Video bitte ich um Nachsicht.
Können wir denn etwas anderes erwarten?
Wer hetzt denn seit Jahr und Tag, es ist ja nicht nur die Bild.
„Bis zur letzten Patrone“- Seehofer ist auch so ein Fall.
Es ist wohlfeil wenn der Speigel nun aus allen „Wolken“ fällt.
Ich habe heute in einem anderen „Qualitäts- Blatt“ ein Rating über die Gruppen gelesen, gegen die die stärksten Vorurteile vorherrschen.
Und nein, auf Platz eins waren nicht die Flüchtlinge.
Mir wurde gestern ein Kommentar bei der Welt gesperrt. In dem Artikel ging es um Armut in Deutschland und es lief auf das übliche ALGII- Bashing hinaus.
Ich machte die Rechnung auf, das ich nur 1000 Leuten jeweils 1000 € abnehmen muss, um in knapp 3 Jahren auch zum Millionär zu werden.
Ich erwähnte auch das sich hierbei Gewalt vermutlich nicht generell vermeiden lässt. Wie das eben so ist im Kaputalismus.
Wir leben einfach in einer komplett verrohten Gesellschaft, Menschenfeindlichkeit ist wieder Hipp.
Was ja noch dazu kommt ist, dass der Politik ein roter Teppich für die Forderung nach diversen Überwachungsmaßnahmen bereitet wird.
Klaus, du fragst was endsätze sind – nun, ich versuche mal zu lösen, bin mit diesem wort bereits mittendrin, tausche das e gegen ein u und kaufe ein g et voila: da haben wir die lösung: endsätze sind sätze, die eine endlösung „fordern“, sätze, die jede diskussion beenden/verunmöglichen, da der endsätze sprechende die ihnen innewohnende endlösung als erlösung vom denken nicht nur empfindet, sondern ersehnt; denn der endsatz ist vorsatz zur endlösung als erlösung, zur erlösung durch endlösung und da isser dann endlich wieder ganz bei sich, der deutsche, hirnerweichend ruhend in seiner ganzen bräsigkeit und hohnlachend der menschlichkeit bis ins verrohende humanistisch -aber hallo, sowas von- gebildete bürgertum hinein.
Ein endsatz – nö, nur ein langer, polemischer satz; entsetzen – nö, denn das alltägliche grauen kann nicht mehr den schrecken des entsetzens erzeugen und entsatz? – ist nicht zu erwarten. Sorry, ich kann manchmal nicht anders – es ist zum kotzen.
„Doch, doch: Wir wollen in dieser wahn-witzigen Welt noch wieder, immer wieder lieben!“ – Wolfgang Borchert
danke, eine sehr nachvollziehbare erklärung.
Ich sag’s ja immer; 😉 diese Bevölkerung ist durchweg verroht und latent faschistisch. Der Schoß ist fruchtbar… divide et impera.
Auf der Suche nach dem Schuldigen für alles Schlechte ist der Fremde halt ein willkommenes Opfer, welches man zum Täter umdefiniert. Huldigt dieser dazu noch anderen fliegenden Spaghettimonstern als der Einheimische, hat er komplett verloren. Bei einigen durchweg vernünftigen, eher linken Zeitgenossen ist Fremdenfeindlichkeit aber irgendwie auch kein Widerspruch zu den eigenen Werten. Man müsse die Probleme im Ausland bekämpfen (ist ja nicht mal so falsch), also habe der Ausländer halt draußen zu bleiben (komplett falsch). Ist aber im Grunde auch nicht so weit entfernt von der Einstellung jener linken Menschenfreunde, für die jede schrittweise Linderung von Leid innerhalb „des Systems“ ja auch verkehrt ist, weil dadurch das „revolutionäre“ Potenzial vermindert wird…
Ein Beispiel für diese Schizophrenie ist für mich das Telepolis-Forum und das Kommentariat. Während bei eigentlich allen sozial- und wirtschaftspolitischen Themen die Beitragsbewertungen rot (schlecht) und grün (gut) ein guter Indikator für die Qualität der Beiträge sind, erinnern einem die Einfärbungen bei Themen Ausländer, Asyl und Islam betreffend sehr schnell an PI oder den SPD/CSU/NPD-Stammtisch… dann stimmen / prosten sich auch die ansonsten verbitterten Konkurrenten gerne gegenseitig zu.
Die artifizielle Entrüstung des Sacha Lobo entbindet uns nicht davon, die überbordenden Hasstiraden gegen den Anderen bzw. das Andere (in uns) im Internetz, am Stammtisch und auf der Strasse geboten auszuloten und einzuordnen.
Damit der Neoliberalismus nicht an seinen Widersprüchen erstickt, bedient er sich allüberall der individuellen Schuldzuweisung.
Wer sich nicht zeitlebens thematisiert, interpretiert, dauerhaft optimiert oder permanent positioniert und seine ständig zu dynamisierenden und zu extensivierenden Kompetenzen und Fertigkeiten effektiv, d.h. marktgerecht anzubieten vermag, trägt höchstselbst die Schuld an seinem Armageddon.
Ungeachtet der Faktizität, dass das neoliberale Glaubensbekenntnis lediglich eine Schimäre, eine Schmierenkomödie, eine Zurichtung der Vielen zur Marktkonformität bedeutet, hat sich die Majoriät der Menschheit dieser medienwirksam propagierten Marktdikatur (teils unbewusst) in vielen Bereichen unterworfen.
Fatalerweise erfährt nicht jeder, der die neoliberalen Heilsversprechen verinnerlicht hat umgehend Erfolg, geschweige denn erhält er eine Garantie auf einen solchen; macht statt dessen wiederholt Erfahrungen, die ihm seine Knechtschaft, seine Ohnmacht, sein Ausgegrenztsein und vermeintliche Minderwertigkeit ungeschminkt wie unübersehbar vor Augen führen und ihn zur eigenen Befreiung/Erlösung Endlösungen phantasieren lässt.
Es ist mir bewusst, dass Xenophobie und die Suche nach Sündenböcken für das eigene schuldhafte wie schuldlose Versagen und die gesellschaftlichen Bedrängungen keine Neuzeitphänomene sind; indessen haben die wirkmächtigen Mantras des Neoliberalismus und eine schwallende, weitreichende Empörungskultur der Zukurzgekommenen via Internet, den Hass auf das vorgeblich privilegierte Fremde, Heterogene sowie die schwelenden Ressentiments allein für jedermann sichtbar gemacht und verstärkt.
Wir waren noch nie weiter!
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